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Auferstehung 1. Band

Auferstehung 1. Band

Titel: Auferstehung 1. Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo N. Tolstoi
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weit war. Er hielt die Arme an den Körper gepreßt, um die Aermel festzuhalten, die seine Hände sonst verdeckt hätten. Er schien weder die Geschworenen, noch das Publikum zu sehen, und hielt die Augen starr auf die Bank gerichtet, an der er vorüberkam. Als er um sie herumgegangen war, setzte er sich, richtete die Augen auf den Präsidenten und fing an, die Lippen zu bewegen, als wenn er etwas vor sich hinmurmelte.
    Die ihm folgende Frau, die ebenfalls Gefängniskleidung trug, mochte etwa 50 Jahre zählen. Sie hatte ein Sträflingstuch um den Kopf gebunden, und ihr blaßgraues Gesicht hätte nichts besonders Merkwürdiges aufzuweisen gehabt, wäre nicht das vollständige Fehlen der Wimpern und Augenbrauen aufgefallen. Sie schien übrigens vollständig ruhig. Als sie auf ihrem Platze angelangt war,strich sie ihr Kleid, das an einem Nagel hängen geblieben war, sorgfältig glatt und setzte sich.
    Das andere Weib war die Maslow.
    Sobald sie eintrat, richteten sich die Blicke aller im Saale anwesenden Männer auf sie und betrachteten längere Zeit ihr sanftes Gesicht, ihre feine Taille und ihre breite unter dem Leinenkittel stark hervortretende Brust. Selbst der Gensdarm, an dem sie vorüber mußte, sah sie fortwährend an, bis sie sich gesetzt hatte; dann wandte er sich wie im Gefühle einer Schuld ab und blickte nach dem gegenüberliegenden Fenster.
    Der Präsident wartete, bis die Angeklagten sich gesetzt hatten, und wandte sich dann zu dem Aktuar. Das gewöhnliche Verfahren begann; der Aufruf der Geschworenen, der Beisitzer, die Verurteilung der Fehlenden zu einer Geldstrafe, die Prüfung der Entschuldigungen und der Ersatz der fehlenden Geschworenen durch Beisitzer. Dann ersuchte der Präsident den Popen, den Geschworenen den Eid abzunehmen.
    Dieser Pope war ein großer, kahlköpfiger Greis mit rotem Gesicht, einigen weißen Haaren und einem langen, schlecht gekämmten Bart. Er trug eine bräunliche Soutane, mit einem an einer goldenen Kette hängenden Kreuz, das er mit seinen angeschwollenen, dicken Fingern fortwährend auf der Brust hin- und herdrehte. Er trug auch einen kleinen an der Seite angenähten Orden. Seit 45 Jahren war er Geistlicher und wollte im nächsten Jahre sein Jubiläum feiern, wie es der Erzpriester der Kathedrale kürzlich gethan hatte. Seit der Erbauung des Gerichtsgebäudes war er beim Gericht; er war stolz darauf, mehreren tausend Personen den Eid abgenommen zu haben und selbst noch in seinem Alter zum Wohle des Vaterlandes, der Kirche und auch seiner Familie zu arbeiten, der er außer seinem Hause ein Kapital von wenigstens 30 000 Rubeln in guten Papieren zu hinterlassen gedachte. Nie war ihm der Gedanke gekommen, er könne schlecht handeln, wenn er vor einem Gerichtshofe auf das Evangelium schwören ließ; im Gegenteil, er liebte diese Beschäftigung, die ihm oft Gelegenheit gab, mit vornehmen Personen Bekanntschaft zu machen. So war er an diesem Tage sehr glücklich gewesen, mit dem berühmten Advokaten aus St. Petersburg bekannt zu werden, für den seine Hochachtungnoch gestiegen war, als er erfahren hatte, ein einziger Prozeß habe ihm 10 000 Rubel eingebracht.
    Sobald der Präsident ihn ermächtigt hatte, den Geschworenen den Eid abzunehmen, hob der alte Pope langsam seine angeschwollenen Beine und schritt auf das vor dem Heiligenbild stehende Pult zu. Die Geschworenen erhoben sich und folgten ihm schnell.
    »Einen Augenblick!« sagte der Pope, streichelte das Kreuz mit der rechten Hand und wartete, bis alle Geschworenen näher getreten waren.
    Als alle bei dem Heiligenbild standen, neigte der Pope seinen weißen Kopf zur Seite, steckte ihn in das fettige Loch seiner Stola, brachte seine dünnen Haare in Ordnung und sagte, sich zu den Geschworenen wendend: »Erheben Sie die rechte Hand und halten Sie die Finger so!« Gleichzeitig hob er seine dicke Hand hoch und faltete die Finger, als wenn er eine Prise nehmen wollte. »Und jetzt wiederholen Sie mit nur: ›Ich schwöre bei dem Heiligen Evangelium und dem belebenden Kreuz, daß ich in der Sache, in welcher‹ ... Halten Sie nicht die Hand herunter,« sagte er, sich an einen jungen Mann wendend, der Miene machte, den Arm herunterzunehmen. Dann fuhr er langsam, bei jedem Worte pausierend, fort: »daß ich in dem Falle, an welchem ...«
    Die wichtige Persönlichkeit mit dem schönen Backenbart, der pensionierte Oberst, der Kaufmann und die andern Geschworenen hielten den Arm hoch und die Finger genau so gefaltet, wie es der Pope

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