Auferstehung 1. Band
Scheide und stellte sich als Schildwache auf. Auch die Richter erhoben sich und gingen hinaus, und die Angeklagten führte man ebenfalls hinaus.
Auch diesmal nahmen die Geschworenen, als sie in ihr Beratungszimmer traten, wie vorher Cigaretten und zündeten sie an. Das Bewußtsein ihrer falschen und unnatürlichen Lage, das alle mehr oder weniger deutlich empfunden, als sie im Gerichtssaal gesessen hatten, schwand vollständig aus ihrer Seele, sobald sie wieder frei waren und die Cigarette im Munde hielten, und sofort begann eine äußerst lebhafte Auseinandersetzung.
»Die Kleine ist nicht schuldig; sie hat sich 'reinlegen lassen,« erklärte der brave Kaufmann. »Man muß mit ihr Mitleid haben!«
»Das werden wir untersuchen,« versetzte der Obmann, »Hüten wir uns, unsern persönlichen Eindrücken nachzugeben!«
»Der Präsident hat eine sehr schöne Rede gehalten,« bemerkte der Oberst.
»In der That sehr schön, aber wollen Sie glauben, daß ich fast eingeschlafen bin?«
»Die Hauptsache ist, die beiden Dienstboten konnten von dem Gelde des Kaufmanns nichts wissen, wäre die Maslow nicht mit ihnen im Einverständnis gewesen,« sagte der jüdische Kommis.
»Dann hätte sie also Ihrer Ansicht nach gestohlen?« fragte einer der Geschworenen.
»Das werde ich nie glauben,« rief der dicke Kaufmann; »diese Kanaille ohne Wimpern hat alles Böse angerichtet.«
»Schon recht,« behauptete der Oberst, »aber diese Frau behauptet, sie hatte das Zimmer nicht betreten.«
»Und ihr wollen Sie glauben? Ich möchte mich nicht auf eine solche Person verlassen!«
»Na, und was weiter?« fragte der Kommis ironisch; »trotzdem ist es doch wahr, daß die Maslow den Schlüssel hatte!«
»Was beweist das?« rief der Kaufmann.
»Und der Ring?«
»Aber sie hat uns ja die ganze Geschichte erklärt.«
»Darum handelt es sich nicht,« bemerkte Peter Gerassinowitsch, »Die Hauptsache ist, ob sie den ganzen Anschlag vorher überlegt und ausgeführt hat, oder ob es die beiden Diener gewesen sind.«
»Aber die beiden Dienstboten konnten doch nicht ohne sie handeln, sie hatte doch den Schlüssel.«
So ging der Streit ziemlich lange hin und her.
»Gestatten Sie, meine Herren,« sagte endlich der Obmann, »setzen wir uns an den Tisch und beraten wir!«
Darauf gab er das Beispiel, setzte sich in den großen Sessel und sagte dann, mit seinem Bleistift auf den Tisch klopfend:
»Meine Herren, kommen wir zur Sache!«
Alle schwiegen, und der Obmann begann die den Geschworenen vorzulegenden Fragen, die folgendermaßen lauteten:
1. Ist der Bauer Simon Petrowitsch Kartymkin, aus dem Dorfe Borki, Bez. Krapiwo gebürtig, 34 Jahre alt, schuldig, am 16. Oktober 188.. dem Kaufmann Smjelkoff, in der Absicht, ihn zu bestehlen, nach dem Leben gestrebt zu haben? Und ist er schuldig, besagtem Kaufmann, nachdem er ihn mit Hilfe anderer Personen vergiftet, eine Summe von ungefähr 2000 Rubel und einen Brillantring gestohlen zu haben?
2. Ist die Bürgerin, Euphemia Iwanowna Botschkoff, 43 Jahre alt, schuldig, zusammen mit Simon Petrowitsch Kartymkin die in der ersten Frage aufgezählten Handlungen begangen zu haben?
3. Ist Katharina Iwanowna Maslow, 27 Jahre alt, schuldig, im Einverständnis mit den beiden ersten Angeklagtendie in der ersten Frage erwähnten Handlungen begangen zu haben?
4. Im Falle Euphemia Botschkoff nicht der in der ersten Frage erwähnten Handlungen für schuldig erklärt wird, ist sie dann schuldig, am 16, Oktober 188.. aus dem verschlossenen Koffer des Smjelkoff eine Summe von 2500 Rubel genommen zu haben?
»Nun, meine Herren, wie wollen Sie den ersten Punkt beantworten?« fragte der Obmann, nachdem er seine Verlesung beendet.
Die Antwort wurde bald gefunden. Alle stimmten bejahend, sowohl im Punkte des Diebstahls, wie auch der Vergiftung. Nur einer der Geschworenen wollte Kartymkin nicht für schuldig halten, ein alter Handwerker, der stets auf alle Fragen verneinend antwortete.
Der Obmann glaubte zuerst, der alte Mann verstände nicht, und fing an, ihm zu erklären, daß Kartymkin und die Botschkoff zweifellos schuldig wären. »Wir sind selbst keine Heiligen,« sagte der Alte, und nichts konnte ihn veranlassen, seine Meinung zu ändern.
Die Antwort auf die zweite Frage, die Botschkoff betreffend, lautete nach langen Beratungen: »Nein, sie ist nicht schuldig.« Es fehlte in der That an Beweisen für ihre Teilnahme am Giftmord, und diesen Punkt hatte ihr Verteidiger auch ausdrücklich hervorgehoben. –
Der
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