Auferstehung 2. Band (German Edition)
Bogoduschoffska.«
»Bogoduschoffska! Wo habe ich diesen Namen schon gehört?« fragte sich Nechludoff, der von der Erinnerung an seine Unterredung mit Katuscha noch ganz erschüttert war. »Ach ja, ich erinnere mich! Die Tochter des Kirchendieners, während der Bärenjagd!«
Wera Bogoduschoffska war Erzieherin in einem Dorfe des Gouvernements Nowgorod, als Nechludoff auf einer Bärenjagd in jenes Dorf gekommen war. Die Erzieherin hatte den jungen Mann um Geld gebeten, damit sie ihre Schule aufgeben und an der Universität studieren konnte. Nechludoff hatte ihr die gewünschte Summe gegeben und seitdem nie wieder etwas von ihr gehört. Und jetzt erschien diese Person als politische Gefangene vor ihm und versprach, ihm wichtige Dinge über die Maslow mitzuteilen!
Wie einfach und leicht war damals alles, und wie schwer und verwickelt war es jetzt! Nechludoff empfand eine wahre Erschütterung, als er sich an den Tag erinnerte, da er die Bogoduschoffska kennen gelernt.
Es war am Tage vor dem Karneval, in einem einsamen Dorfe, sechzig Werst von der nächsten Eisenbahnstation. Die Jagd war sehr glücklich gewesen. Man hatte zwei Bären erlegt, vorzüglich gespeist und wollte eben wieder aufbrechen, als der Wirt der kleinen Herberge ihnen sagte, die Tochter des Kirchendieners wolle mit dem Fürsten Nechludoff sprechen.
»Ist sie hübsch?« hatte einer der Jäger gefragt.
»Das werden wir gleich sehen,« hatte Nechludoff geantwortet, war dann mit der ernsthaftesten Miene von der Welt vom Tische aufgestanden, hatte sich den Mund gewischt und war hinausgegangen, ohne sich recht zu denken, was die Tochter eines Kirchendieners von ihm wollte.
Im Nebenzimmer stand, in einen großen Bauernpelz gehüllt, doch mit einem Filzhut aus dem Kopfe, ein mageres, knochiges junges Mädchen mit einem langen, anmutslosen Gesicht, in welchem allein die Augen einige Schönheit besaßen.
»Da ist der Fürst, Wera Efremowna,« hatte der Gastwirt gesagt und sie im Zimmer allein gelassen.
»Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte Nechludoff.
»Ich, ich ... Sehen Sie, Sie sind reich, und geben Ihr Geld aus, um dafür zu jagen und sich zu amüsieren. Ich weiß das und wünsche nur eins, mich andern nützlich zu machen. Aber ich kann nichts thun, weil ich nichts verstehe.«
»Und was kann ich für Sie thun?«
»Ich bin hier Erzieherin und möchte zur Universität gehen, doch man läßt mich nicht hin. Oder vielmehr, man läßt mich schon hin, aber ich brauche Geld. Geben Sie mir Geld; wenn ich meine Studien beendet habe, werde ich es Ihnen zurückgeben. Ich sage mir: »Die reichen Leute gehen auf die Bärenjagd, machen die Muschiks betrunken, und das alles ist schlecht; warum sollten sie nicht auch ein bißchen Gutes thun?« Ich brauche nur achtzig Rubel; wenn Sie nicht wollen, so schadet es auch nichts ...«
»Aber in: Gegenteil, ich bin Ihnen für die Gelegenheit, die Sie mir geben, sehr dankbar; ich werde Ihnen das Geld sofort bringen.«
Nechludoff war in das Gastzimmer zurückgegangen; ohne auf die Witzeleien seiner Kameraden zu achten, hatte er aus seiner Reisetasche vier Zwanzigrubelscheine genommen und sie ihr gebracht.
»Ich bitte Sie,« hatte er ihr erklärt, »danken Sie mir nicht, ich bin Ihnen Dank schuldig.«
Nechludoff erinnerte sich jetzt daran mit großem Vergnügen, wie er sich fast mit einem seiner Kameraden gezankt, der über die Geschichte hatte spötteln wollen, und wie die ganze Jagd glücklich und fröhlich gewesen war und er sich in heiterster Stimmung befunden hatte, als er von dem Dorfe zur Eisenbahnstation zurückgekommen war. Und nun war diese Wera Efremowna eine Revolutionärin geworden und wegen ihrer politischen Meinung ins Gefängnis gekommen. Nechludoff entschloß sich, sie aufzusuchen, denn vielleicht konnte sie ihm etwas Interessantes sagen, wie man der Maslow ihr Schicksal erleichtern konnte.
Fünfzehntes Kapitel
Bei seinem Erwachen durchlebte Nechludoff mit einem Schlage alles wieder, was ihm am vorigen Tage begegnet war, und von neuem bemächtigte sich seiner das Entsetzen. Trotzdem fühlte er sich entschlossener als je, das angefangene Werk fortzusetzen, unbekümmert um die Folgen. In dieser Gemütsverfassung begab er sich um neun Uhr morgens zu dem Vizegouverneur Maslinnikoff. Er wollte ihn um die Erlaubnis bitten, im Gefängnis nicht allein die Maslow, sondern auch den Sohn jener alten Frau zu sprechen, von dem die Maslow ihm erzählt hatte; und auch die Bogoduschoffska wollte er aufsuchen und zu
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