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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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von Insubordination stattgefunden; jeder andere hätte das an meiner Stelle als Meuterei angesehen und ein Unglück angerichtet, dagegen ist bei mir alles gut vorübergegangen. Vor allem muß man Nachsicht und Autorität zu gleicher Zeit besitzen, das ist alles.«
    »Darauf verstehe ich mich nicht,« versetzte Nechludoff, »ich bin nur zweimal ins Gefängnis gegangen und muß dir gestehen, daß ich einen ganz kläglichen Eindruck davon empfangen habe.«
    »Weißt du was, du solltest einmal die Gräfin Passek besuchen, ihr würdet euch wunderbar verstehen. Sie hat sich ganz und gar solchen Werken gewidmet. Elle fait beaucoup de bien Durch sie und auch durch mich, das kann ich ohne Unbescheidenheit gestehen, ist unser ganzes Gefängnissystem umgestaltet worden. Von den Greueln des alten Systems ist jetzt nichts mehr vorhanden, und die Gefangenen sind wirklich glücklich .. . Aber wie kannst du dich nur an Fajnitzin wenden? Ich kenne ihn nicht persönlich, unsere beiderseitigen socialen Beziehungen führen uns nicht zusammen, doch ich weiß aus sicherer Quelle, daß er ein Schafskopf ist. Ganz abgesehen davon, daß er sich vor Gericht Dinge zu sagen erlaubt ...«
    »Ich danke dir herzlich für deine Gefälligkeit,« sagte Nechludoff, nahm das Papier, das der Vizegouverneur eben für ihn geschrieben, und stand auf, um fortzugehen.
    »Und jetzt komm' zu meiner Frau!«
    »Das ist heute leider unmöglich, entschuldige mich bei ihr!«
    »Sie würde mir nicht verzeihen, wenn ich dich hätte fortgehen lassen,« versetzte Maslinnikoff, während er seinen alten Kameraden bis zu den Stufen der Treppe begleitete, »na, komm' schon mit, bloß für eine Minute.«
    Doch Nechludoff blieb unerbittlich, und Maslinnikoff rief ihm unten in vertraulichem Tone nach:
    »Dann komm' aber jedenfalls Donnerstag, dann hat meine Frau » jour «; ich werde ihr deinen Besuch schon jetzt ankündigen.«
    Mit diesen Worten kehrte er in sein Arbeitszimmer zurück.

Sechzehntes Kapitel
    Als Nechludoff von Maslinnikoff kam, ließ er sich direkt nach dem Gefängnis fahren. Er sagte den Aufsehern, er wolle mit dem Direktor sprechen, und wandte sich sofort dem Bureau dieses Beamten zu.
    Wieder hörte er, genau wie beim eisten Mal, die Töne eines schlechten Pianos. Anstatt der »Rhapsodie« von Liszt spielte man jetzt eine Etüde von Clementi; doch es war noch immer derselbe übertriebene Eifer, dieselbe mechanische Fertigkeit, dieselbe Schnelligkeit.
    Die Magd, welche öffnete, sagte, »der Hauptmann wäre zu Hause«, und führte ihn in einen kleinen, mit einem Divan, einem Tisch, drei Stühlen und einer ungeheuren Lampe ausgestatteten Salon. Einen Augenblick später erschien der Direktor selbst mit seinem müden, bekümmerten Gesicht.
    »Meine Hochachtung, Fürst. Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte er, indem er seine Uniform zuknöpfte.
    »Ich war beim Vizegouverneur und er hat mir diesen Erlaubnisschein gegeben,« versetzte Nechludoff. »Ich möchte die Maslow sprechen!«
    »Die Markow?« fragte der Direktor, der infolge der Musik den Namen nicht verstehen konnte.
    »Die Maslow!«
    »Ach ja, ich weiß,« sagte er, erhob sich und ging zu der Thür, aus der die Rouladen Clementis kamen.
    »Ich bitte dich, Marussja, höre wenigstens eine Minute auf,« sagte er; »man hört ja sein eigenes Wort nicht!«
    Das Klavier verstummte, Stühle wurden ärgerlich fortgeschoben, und jemand öffnete die Thür, um einen müden Blick in den Salon zu werfen.
    Augenscheinlich erleichtert, nahm der Direktor eine dicke Cigarette aus einem Etui und bot Nechludoff eine an.
    »Kann ich die Maslow sprechen?«
    »Was willst du hier?« fragte der Direktor ein kleines Mädchen von fünf bis sechs Jahren, das in den Salon geschlichen war und sich, ohne Nechludoff mit den Augen zu verlassen, bemühte, seinem Vater auf den Schoß zu klettern. – »Nimm dich in acht, du wirst fallen,« fuhr er mit nachsichtigem Lächeln fort.
    »Nun gut! Wenn es möglich ist, möchte ich Sie bitten, mir die Maslow vorführen zu lassen,« wiederholte Nechludoff.
    »Die Maslow! Die können Sie leider heute nicht sprechen!«
    »Weshalb nicht?«
    »Hören Sie, das ist Ihre Schuld!« versetzte der Direktor mit leichtem Lächeln, »Fürst, glauben Sie mir, geben Sie ihr kein Geld mehr! Wenn Sie wollen, übergeben Sie es mir für sie; aber Sie haben ihr jedenfalls gestern welches gegeben, sie hat sich Schnaps verschafft – dieses Uebel werden Sie nie ausrotten, und heute ist sie vollständig betrunken, so

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