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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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durchdringt, werden wir ein Gnadengesuch an den Zaren richten. Wir werden alles Mögliche thun.«
    »Welch Unglück, daß Sie mich nicht früher gefunden haben! Sie hätten mir einen guten Advokaten verschafft! Denn der, den ich hatte, ist an allem schuld! Dieser Dummkopf! Alle beglückwünschen sie mich Ihretwegen,« setzte sie hinzu und fing an zu lachen. »Ach, hätte man am Tage der Verhandlung gewußt, daß Sie mich kennen, die Sache hätte eine ganz andere Wendung genommen. Dagegen so ... Ach was, haben sie sich gesagt: das ist ganz einfach 'ne Diebin!«
    »Wie seltsam sie heute ist!« dachte Nechludoff und wollte eben die große Frage berühren, als sie von neuem das Wort ergriff:
    »Hören Sie nur, was ich Ihnen zu sagen habe ... In unserem Saale ist eine alte Frau, über die sich jeder wundern muß! Eine merkwürdige, kleine, alte Frau, wie Sie eine zweite nicht sehen werden! Man hat sie und ihren Sohn verurteilt, Gott weiß, warum; und jeder weiß, daß sie unschuldig sind; und dabei hat man sie angeklagt, sie hätten Feuer angelegt! Da hat sie gehört, daß ich Sie kenne, und daraufhin zu mir gesagt: »Täubchen, sag' ihm, er solle mit meinem Sohn sprechen, der wird ihm alles erklären!« Mentschoff ist ihr Familienname. Wenn Sie wüßten! Eine so merkwürdige kleine Frau! Man sieht gleich, daß sie nicht schuldig ist! Nicht wahr, mein Schatz, Sie werden sich mit ihr beschäftigen?« sagte sie und sah ihm mit vertraulichem Lächeln in die Augen.
    »Gut, ich werde mich damit beschäftigen und Erkundigungen einziehen,« versetzte Nechludoff, der sich über ihre Gesprächigkeit immer mehr wunderte. »Aber ich möchte mit Ihnen von einer persönlichen Angelegenheit sprechen. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen neulich gesagt habe?«
    »Sie sagten mir neulich so viel! Was haben Sie mir denn gesagt?« fragte sie.
    Sie hörte nicht auf, ihm zuzulächeln und neigte den Kopf bald nach dieser, bald nach jener Seite.
    »Ich habe Ihnen gesagt, ich wäre gekommen, um Sie um Verzeihung zu bitten,« sagte er.
    »Ach ja, ganz recht. Da ist nichts zu verzeihen. Sie thäten besser ...«
    »Ich habe Ihnen noch zu sagen,« fuhr Nechludoff fort, »daß ich meine Schuld wieder gutmachen will, aber nicht durch Worte, sondern durch Thaten ... Ich bin entschlossen, Sie zu heiraten!«
    Bei diesen Worten nahm das Gesicht der Maslow wieder einen Ausdruck der Angst an. Ihre Augen hörten auf zu schielen und richteten sich strenge auf Nechludoff.
    »Weiter fehlte nichts!« sagte sie in bösem Tone.
    »Ich habe das Gefühl, daß ich das vor Gott thun muß!«
    »Jetzt spricht er noch obendrein von Gott! Gott! Was für'n Gott! Sie hätten besser gethan, früher an Gott zu denken, als ...«
    Sie hielt offenen Mundes inne, und jetzt spürte Nechludoff zum erstenmale den starken Branntweingeruch, der ihrem Munde entströmte; er begriff die Ursache ihrer Aufregung und sagte:
    »Beruhige dich!«
    »Ich brauche mich nicht zu beruhigen. Du glaubst, ich bin betrunken? Nun denn ja, ich bin betrunken, aber ich weiß, was ich spreche!« versetzte sie in einem Zuge mit blutrotem Gesicht. »Ich bin eine öffentliche Dirne, eine Zuchthäuslerin, und Sie sind ein vornehmer Herr, ein Fürst. Sie haben nichts mit mir zu schaffen. Geh' doch zu deinen Fürstinnen!«
    »So grausam du auch mit mir sprichst, deine Worte sind nichts im Vergleich zu dem, was ich selbst empfinde,« versetzte Nechludoff ganz leise und zitternd. »Du kannst dir nicht denken, wie sehr ich mir meiner Schuld gegen dich bewußt bin!«
    »Deiner Schuld bewußt warst du!« versetzte sie mit bösem Lachen. »Als du mir die hundert Rubel zustecktest, da warst du dir ihrer nicht bewußt!«
    »Ich weiß, ich weiß; doch was soll ich jetzt thun? Ich habe mir geschworen, dich nicht zu verlassen, und werde das ausführen, was ich gesagt habe.«
    »Und ich sage dir, du wirst es nicht ausführen!«
    »Katuscha!« sagte Nechludoff und versuchte, ihre Hand zu ergreifen.
    »Rühr' mich nicht an! Ich bin eine Zuchthäuslerin, und du bist ein Fürst; du hast hier nichts zu suchen!« lief sie, toll vor Zorn ihre Hand zurückziehend. »Geh' fort,« fuhr sie fort, »ich hasse dich; alles ekelt mich bei dir an, dein Lorgnon, Und dein ganzes schmutziges, fettes Gesicht! Geh'! Geh' deiner Wege!«
    Mit schneller Bewegung sprang sie auf die Füße.
    Der Aufseher näherte sich ihr.
    »Was hast du hier Skandal zu machen?«
    »Lassen Sie sie, bitte,« sagte Nechludoff.
    »Ich werde dich lehren, dich so zu

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