Auferstehung 3. Band (German Edition)
sage, Maria?«
»Na, nimm die Flasche, ich habe genug getrunken,« versetzte die Frau. »Du sprichst schon wieder dummes Zeug!«
»Sehen Sie, wie sie ist,« entgegnete der Arbeiter. »Eine tüchtige Person; aber wenn sie zu brummen anfängt, dann knarrt sie wie ein Karren, dem man die Räder zu ölen vergessen hat! Marie, ist es wahr, was ich sage?«
Die Frau zuckte laut lachend die Achseln.
»Da, so ist sie! Eine tüchtige Person, aber wenn sie ein Floh beißt, können Sie sie nicht halten! Was ich sage, ist wahr! Ich sehe schon, mein Herr, Sie halten mich für einen Trunkenbold! Was? – Na, ich habe eben einen Schluck zu viel getrunken; was soll ich dagegen thun?«
Darauf streckte der Arbeiter seine Beine aus, legte den Kopf auf die Schulter seiner Frau und schlief ein. Nechludoff blieb noch einige Zeit bei dem Greis, der ihm seine eigene Geschichte erzählte. Er sagte ihm, er wäre seines Standes Töpfer, arbeite seit dreiundfünfzig Jahren, hätte eine unzählige Menge von Oefen ausgebessert und wolle sich jetzt ein bißchen Ruhe gönnen. Er habe seine Kinder bei der Arbeit gelassen und fahre nun in die Heimat, um seinen Bruder wiederzusehen.
Als er fertig war, erhob sich Nechludoff und ging nach dem Platze, den Fedossjas Gatte ihm reserviert hatte.
»Nun, Barin, Sie wollen sich also nicht setzen? Na, wir wollen die Tasche fortnehmen, damit Sie's bequemer haben,« sagte der Gärtner, der Taraß gegenüber saß und warf einen gutmütigen, lächelnden Blick auf Nechludoff.
»Wenn man eng sitzt, sitzt man sich näher,« fuhr Taraß mit seiner flötenden Stimme fort, hob seine ungeheure Tasche wie eine Feder hoch und legte sie zwischen seine Beine.
Der treffliche Mann sagte gern von sich selbst, wenn er nicht getrunken hätte, so könne er nicht sprechen, doch wenn er ein Glas getrunken, fände er gleich einen Schwall von Worten. Und thatsächlich war Taraß gewöhnlich sehr schweigsam; doch sobald er getrunken hatte – was bei ihm übrigens nur selten vorkam – wurde er gern geschwätzig. Dann sprach er leicht und sogar elegant, und alles, was er sprach, trug den Stempel jener reizenden Sanftmut, den auch seine gutmütigen blauen Augen und das stets auf seinen Lippen schwebende Lächeln ausdrückten. Da er an jenem Tage ein bißchen getrunken, bevor er sich auf den Weg gemacht, so war er ganz besonders im Zuge. Nechludoffs Erscheinen hatte seinen Redefluß zuerst unterbrochen; doch als er es sich mit der Tasche zwischen den Beinen bequem gemacht und seine beiden dicken Hände auf die Kniee gelegt, erzählte er dem Gärtner weiter alle Einzelheiten von der Geschichte seiner Frau, weshalb man sie verurteilt hatte, und weshalb er sich nach Sibirien begab. Seine Erzählung interessierte Nechludoff auf das lebhafteste, denn er wußte darüber nichts weiter, als was die Maslow ihm berichtet hatte. Unglücklicherweise hatte Taraß den Anfang schon so viel früher erzählt, daß Nechludoff ihn nicht auffordern konnte, noch einmal zu beginnen. Er erfuhr wenigstens, was sich nach dem Vergiftungsversuch ereignet, als Taraß' Eltern das Verbrechen Fedossjas entdeckt hatten. »Die ganze Schuld liegt an mir, und zu meiner Strafe erzähle ich die Sache!« sagte Taraß, indem er sich mit bereuender Miene zu Nechludoff umwandte. »Das Unglück hat zu laut gesprochen! Also, Bruder, es ist gleich alles entdeckt worden. Die Alte sagte also zu meinem Vater: »Geh' zum Polizeimeister!« sagte sie zu ihm. Aber sehen Sie, mein Vater ist ein gottesfürchtiger alter Mann. »Halte lieber Frieden, Alte!« sagte er. – »Die arme Frau ist noch ein Kind! Sie hat selbst nicht gewußt, was sie that. Mitleid muß man mit ihr haben, Vielleicht, bereut sie!« – Aber meine Mutter wollte nichts hören. »Du willst also,« sagte sie, »daß wir sie hier behalten, damit sie uns auch wie Spinnen vergiftet!« Dann zog sie sich an, Bruder, und ging zu dem Polizeimeister. Und der hat gleich ein gutes Geschäft gewittert. Er ist zu uns gekommen und hat Fedossja mitgenommen!«
»Na, und da?« fragte der Gärtner.
»Ja, siehst du, ich lag da und hatte Kolik und Erbrechen! In meinem Leibe ging's drunter und drüber; ich konnte kein Wort sprechen. Dann hat man gleich die Telega angespannt, um Fedossja nach dem Polizeibureau zu bringen. Und sie hat gleich alles gestanden, Bruder! Sie hat gesagt, wie sie sich das Gift verschafft und die Kuchen zubereitet hat. »Aber warum hast du denn das gethan?« hat man sie gefragt. »Na, um ihn loszuwerden!«
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