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Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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daß das Gesicht der jungen Frau sich nur verklärt und belebt hatte, als er ihr von dem, was ihren Mann interessierte, von der Abtretung der Besitzung an die Bauern, von der Hinterlassenschaft gesprochen hatte. Und darum erfüllte eine tiefe Traurigkeit sein Herz.
    In dem großen Waggon dritter Klasse, der mit Reisenden vollgepfropft und seit dem Morgen der Sonne ausgesetzt war, war die Hitze so unerträglich, daß Nechludoff kaum, nachdem er sich gesetzt, wieder aufstehen und auf der äußeren Plattform bleiben mußte. Doch auch hier erstickte man, und Nechludoff konnte erst frei aufatmen, als der Zug die Häuser endlich passiert hatte und die freie Landluft erreichte.
    »Mörder! Mörder!« sagte er sich und dachte an die Unterhaltung mit seiner Schwester über die Gefangenen. Von allen den Eindrücken, die er seit dem Morgen empfunden, suchte ihn ein einziger heim; er sah mit außergewöhnlicher Klarheit und Schärfe das schöne Gesicht des zweiten Toten mit seinen lächelnden Lippen, der strengen Stirn und dem fein gezeichneten kleinen Ohr wieder vor sich, das unter dem halb rasierten Schädel erschien.
    »Ganz besonders gräßlich aber ist es,« sagte er sich, »daß diese Unglücklichen getötet worden sind, ohne daß man weiß, wer sie getötet hat. Sie sind wie alle andern Gefangenen auf einen schriftlichen Befehl Maslinnikoffs nach dem Bahnhof gebracht worden. Doch Maslinnikoff hat sich offenbar darauf beschränkt, eine Formalität zu erfüllen; man hat ihm ein in den Bureaus aufgesetztes Schriftstück zur Unterzeichnung vorgelegt; der Dummkopf hat seinen schönen Schnörkel darunter gesetzt, ohne sich darum zu kümmern, was darauf stand; und um keinen Preis der Welt würde er sich an den eben passierten Unfällen für verantwortlich halten. Auch den Gefängnisarzt, der die Verschickten vor der Abreise untersucht, wird man nicht verantwortlich machen können. Er hat seine Berufspflichten pünktlich erfüllt, hat die kranken Gefangenen ausgesondert und sie in die Wagen steigen lassen und jedenfalls nicht vorausgesehen, daß man den Zug in der Mittagsglut in dichtgedrängter Masse marschieren lassen würde. Der Direktor? Auch der Direktor hat nur die Befehle seiner Vorgesetzten ausgeführt; wie diese es ihm befohlen, hat er am festgesetzten Datum zur bestimmten Stunde eine bestimmte Anzahl von Gefangenen abgeschickt; so viel Männer, so viel Frauen. Auch den Führer des Zuges kann man nicht anklagen; man hat ihm befohlen, aus einem bestimmten Ort Gefangene abzuholen und sie nach einem bestimmten andern Ort zu bringen, und das hat er, so gut er es konnte, gethan. Er hat den Zug heut' ebenso geführt wie beim letzten Mal, und auch er konnte nicht voraussehen, daß kräftige und gesunde Männer, wie die beiden, die ich gesehen, die Anstrengung nicht ertragen und unterwegs sterben würden. Niemand ist schuld, und doch sind diese Unglücklichen umgebracht worden, und zwar gerade von diesen Männern, die an ihrem Tode gar nicht schuld sind!«
    »Das kommt daher,« sagte sich Nechludoff weiter, »daß alle diese Männer, Gouverneure, Direktoren, Polizisten, Polizeileutnants der Meinung sind, es gäbe Situationen im Leben, wo die direkte Beziehung des Menschen zum Menschen nicht obligatorisch ist. Denn alle diese Männer, von Maslinnikoff bis zu dem Führer des Zuges, wären, wenn sie eben keine Beamten wären, wohl zwanzigmal auf den Gedanken gekommen, daß es nicht möglich ist, einen Trupp bei solcher Hitze marschieren zu lassen; wenn sie sahen, daß ein Gefangener unwohl wird, daß ihm der Atem ausgeht, so hatten sie ihn aus den Reihen treten lassen, ihn in den Schatten geführt und ihm Wasser gegeben, und ihm im Falle eines Unglücks Mitleid bezeugt. Doch sie haben nichts von alledem gethan und es nicht einmal andern gestattet, und zwar weil sie keine Menschen und nicht ihre Menschenpflicht ihnen gegenüber vor sich sahen, sondern nur ihren Dienst, das heißt Pflichten, die sie in ihren Augen von jeder direkten Beziehung von Mensch zu Mensch dispensierten.«
    Nechludoff war so in seine Betrachtungen vertieft, daß er nicht bemerkte, daß das Wetter sich verändert hatte; die Sonne hatte sich mit dicken, niedrigen Wolken bedeckt, und vom Horizont her kam von Westen nach und nach ein graues Gewölk, das sich bereits in dichtem Regen über die Felder und Wälder verbreitete. Schon erfüllte Regengeruch die Luft. Zeitweise durchfurchte ein Blitz das Gewölk, und in den Lärm der dahinrasselnden Waggons mischte sich

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