Auferstehung 3. Band (German Edition)
befanden sich darin Dienstboten, Handwerker, Fabrikarbeiter, Schlächter, Juden, Kommis, Frauen aus dem Volke, auch ein Soldat, sowie zwei Damen, eine Mutter und ihre Tochter, waren darunter. Die Mutter hatte ein ungeheures Armband an jedem Handgelenk; sie war von einem Manne mit hartem Gesicht begleitet, der wie ein reicher Spießbürger gekleidet war.
Diese ganze Gesellschaft saß, nachdem sie sich bei der Abfahrt sehr lebhaft benommen, jetzt ganz ruhig da. Die einen aßen, andere rauchten, und lebhafte Unterhaltungen entspannen sich unter den Nachbarn.
Taraß, Fedossjas Gatte, der rechts in der Mitte des Waggons saß, hielt – sich gegenüber – einen Platz für Nechludoff frei. Mit glückstrahlendem Gesicht unterhielt er sich mit einem andern Bauern, der auf derselben Bank saß, einen langen Tuchrock trug und – wie Nechludoff später erfuhr – ein Gärtner war, der von einem Urlaub zurückkam, Nechludoff wollte eben seinen Platz wieder einnehmen, als seine Augen auf einen im Mittelgange sitzenden weißbärtigen Greis fielen, der sich mit einer jungen Frau im Bäuerinnenkostüm unterhielt. Diese junge Frau hatte ein kleines Mädchen von sieben Jahren mit zwei fast weißen Haarflechten bei sich, die ein neues Hemdchen trug und ihre kurzen Beine schaukelte, mit denen sie den Fußboden nicht erreichen konnte; dazu bewegte sie unaufhörlich die Lippen. Unwillkürlich blieb Nechludoff bei dieser Gruppe stehen, und sogleich sagte der Greis, nachdem er die Schöße seiner Bluse, die auf der Bank lagen, hochgehoben, zu ihm in freundlichem Tone:
»Setzen Sie sich, bitte!«
Nechludoff dankte und setzte sich neben ihn. Die Bäuerin, die einen Augenblick geschwiegen, nahm wieder die Erzählung auf, in der sie sich unterbrochen. Sie erzählte, wie ihr Mann, dem sie eben ein paar Wochen in der Stadt Gesellschaft geleistet, sie aufgenommen hatte.
»Ich kam am Sonnabend in der Charwoche an und fahre jetzt wieder ins Dorf zurück,« sagte sie. »Zu Weihnachten werden wir uns, so Gott will, wiedersehen!«
»Das ist ein Glück,« meinte der Greis, sich zu Nechludoff wendend. »Es ist ein großes Glück, daß sie sich von Zeit zu Zeit wiedersehen können, denn sonst würde der Mann, der jung ist und allein in der Stadt lebt, leicht liederlich werden können.«
»Ach, Väterchen, so ist mein Mann nicht! Der wird nie Dummheiten machen! Er ist unschuldig und sanft wie ein junges Mädchen! Sein ganzes Geld schickt er bis auf den letzten Heller nach Hause! Und wenn er nur seine Tochter sieht, ist er glücklich; ach, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich er ist!«
Das kleine Mädchen, das der Unterhaltung lauschte und dabei immer noch mit den Beinen wackelte und die Lippen bewegte, richtete seine ruhigen blauen Augen auf den Greis, als wolle es die Worte seiner Mutter bestätigen.
»Er ist vernünftig, und Gott wird's ihm lohnen,« fuhr der Greis fort. »Und das liebt er wohl auch nicht?« fügte er hinzu und deutete auf ein Arbeiterehepaar, das auf der anderen Seite des Ganges saß. Der Mann warf den Kopf nach hintenüber, führte eine Branntweinflasche an die Lippen und trank in großen Schlucken, während seine Frau ihm zusah und die Reisetasche in der Hand hielt, aus der sie die Flasche eben hervorgeholt.
»Nein, mein Mann trinkt nie!« versetzte die Bäuerin, die sich freute, eine neue Gelegenheit zum Lobe ihres Mannes gefunden zu haben. »Solche Männer wie er, Väterchen, bringt die Erde nicht viel hervor! Wenn Sie wüßten, wie gut er ist!« sagte sie wieder, sich zu Nechludoff wendend.
»Das ist recht!« versetzte der Greis, konnte sich aber nicht enthalten, seine ganze Aufmerksamkeit der Scene zuzuwenden, die sich auf der andern Seite des Ganges abspielte. Der Arbeiter hatte, nachdem er getrunken, die Flasche seiner Frau gereicht, die überglücklich ebenfalls von dem Branntwein zu trinken anfing. Plötzlich aber wandte der Mann, der Nechludoffs und des Greises Aufmerksamkeit auf sich gerichtet sah, sich zu ihnen und sagte:
»Na, was sehen Sie uns denn so an? Etwa, weil wir trinken? Wie wir arbeiten, das sieht keiner, aber wenn wir trinken, das sieht jeder! Ich habe mein Teil gearbeitet, und jetzt trinke ich, und meine Frau macht's wie ich. Und was die andern davon denken, das kümmert mich nicht!«
»Ja, ja, gewiß,« sagte Nechludoff, der nicht wußte, was er antworten sollte.
»Was sage ich, mein Weib ist 'ne tüchtige Person. Ich bin mit ihr zufrieden und sie mit mir auch! Ist es wahr, was ich
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