Aufgebügelt: Roman (German Edition)
mitgefahren.«
Auch das ist nicht gelogen.
»Wo ist eigentlich Stefan?«, lenke ich das Gespräch sicherheitshalber mal auf andere Bahnen.
»Der kommt morgen wieder. Der war bis vor einer halben Stunde da. Er muss noch irgendwen irgendwo abholen. Eine wirre Geschichte, typisch Stefan halt!«, klärt mich Birgit auf.
Unser kleiner Bruder ist manchmal ein wenig verpeilt.
Bevor die Istanbul-Ausfragerei weitergehen kann, kommen zum Glück die Männer zurück. Ich umarme meinen Vater und Christoph, und da ich irgendwie milde gestimmt bin, sogar meinen Schwager Kurt.
»Es sieht alles ganz gut aus, ich kann dir die Details zu Hause erklären!«, informiert mich Christoph.
Christoph liebt meine Mama. Seit seine gestorben ist, fast noch mehr. Und irgendwie liebe ich Christoph auch – und für das, was er jetzt für meine Mama getan hat, fast noch mehr. Meine Schwester und mein Schwager verabschieden sich.
»Athene ist noch ein wenig blümerant von der Fahrt. Nicht, dass die noch im Haus ein Malheurchen hat!«, begründet mein Schwager ihren Aufbruch.
Allein dieser Satz – blümerant und Malheurchen – machen mir wieder klar, was mich an meinem Schwager so nervt.
»Fahrt nur! Ich bleibe ja jetzt, bin ja gerade erst gekommen«, sage ich. »Du ruhig auch, Papa! Ich habe nichts vor, und Rudi ist zu Hause bei den Kindern!«
Die drei gehen, mein Vater will allerdings in zwei Stunden wieder hier sein. Christoph und ich bleiben zurück.
»Wir sollten noch mal reden! Ganz in Ruhe. Ich habe viel nachgedacht, als du weg warst!«, sagt Christoph leise und guckt mich an. Mit einem Blick, den ich von früher kenne. Liebevoll. Liebend.
»Ja!«, antworte ich. »Wir waren doof. Wir sollten wirklich reden. Anders reden.«
Er nickt und wirkt, als würde ihn meine Antwort freuen.
»Morgen Abend, bei einem Glas Wein?«, schlägt er vor. »Oder gleich jetzt, wenn wir zu den Kindern fahren? Zu Hause.«
Er hat zu Hause gesagt. Unser Haus ist also immer noch sein Zuhause. War das ein Versehen, alte Gewohnheit, oder eine Art versteckte Botschaft? Schaffe ich das heute noch? Und wie mache ich das dann mit Fuß-Paul? Irgendwie werde ich das schon regeln.
Meine Mutter gähnt, »Isch bin müde. Dauernd müde.«
Ich streichle sie ein bisschen, und nach einer Weile schläft sie tatsächlich ein. Christoph erzählt mir, was der Arzt gesagt hat.
»Die sind gut hier, da kann man nicht meckern. Aber deine Mutter muss auf jeden Fall ein paar Tage bleiben, erst hier und dann auf der Neurologiestation. Und dann in die Reha. Aber sie haben gesagt, wir sind rechtzeitig hier gewesen. Alles wird wieder werden.«
»Hast du noch mal mit Mark gesprochen?«, will ich wissen.
»Ja, habe ich. Aber er ist bockig. Richtig pubertär. Wir müssen mehr auf ihn achten. Wir haben ihn ein bisschen aus den Augen verloren.«
Da ist was dran. Klar habe ich mich um seine Primärbedürfnisse gekümmert. Essen, trinken, Wäsche, aber was in ihm so vorgeht und was ihn umtreibt, weiß ich zurzeit nicht.
»Er braucht seinen Vater! Ich komme momentan nicht gut an ihn ran!«
Christoph verspricht, sich mehr um Mark zu kümmern. »Aber Claudia hat neue Pläne. Sie will studieren.«
Wow, das ging ja schnell! Eben noch auf dem Weg zur Adelsgattin im Twinset und jetzt Studentin.
»Im Ausland am liebsten!«, stöhnt Christoph. »Das wird uns ordentlich was kosten.«
»Mal abwarten, die ändert ihre Meinung ja sehr schnell!«, antworte ich und freue mich trotzdem über den Sinneswandel meiner Tochter.
Nach einer guten Stunde brechen wir auf. Meine Mutter schläft und sieht entspannter aus. Ihr Gesicht ist wirkt ganz weich. Ich streiche ihr sanft über den Kopf und wir gehen.
Auf dem Weg zum Parkplatz fragt mich Christoph erstmals nach meiner Istanbulreise.
»War es schön für dich?«, erkundigt er sich.
»Ja und nein. Also die Stadt ist nicht so meine, und die Gesellschaft war so lala. Ich hatte schon schönere Wochenenden!«, antworte ich und verrate damit nicht wirklich etwas.
»Tja, Paris war auch anders, als ich es mir vorgestellt hatte«, gesteht er da. »Waren wir damals auch in gefühlten vierhundertachtundsiebzig Geschäften?«, stöhnt er auf.
Seine Sarah Marie scheint eine Seelenverwandte von Conny zu sein.
»Nein, das waren wir nicht. Wir hatten ja gar nicht das Geld. Wir waren in den Parks und Cafés«, erinnere ich mich.
»Es war romantisch damals«, bemerkt Christoph.
Ja, das war es. Wir hatten es schön in Paris. Wunderschön. Statt zu
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