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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Schreibtisch wurde er allerdings von einer Fliege attackiert. Was zur Folge hatte, dass er zunächst wie wild um sich fuchtelte, um dann zu rufen: »Die Waffe! Dort!« Er zeigte zum Aktenschrank, an dessen Seite eine Fliegenklatsche hing, die aussah wie eine Polizeikelle. Anne fand seine Panik lustig, sprang aber schnell auf, riss die Klatsche vom Haken und befahl im Tonfall einer Fernsehkommissarin bei der Festnahme: »Hören Sie auf herumzuwedeln, Herr Nonnenmacher, wenn Sie ganz ruhig bleiben, dann haben wir das Untier gleich.« Anne registrierte, welch hohe Konzentration und Überwindung es ihren Chef kostete, seinen Veitstanz zu beenden. Als die Fliege sich kurz darauf auf seiner linken Brust niederließ, war die junge Polizistin mit drei vorsichtigen Schritten bei ihm, holte aus und schlug beherzt zu. Nonnenmacher entfuhr ein »Ah«, als hätte ihn eine Kugel aus Annes Dienstwaffe getroffen, aber es war die Fliege, die ihr Leben aushauchte. Immerhin hinterließ ihre Leiche einen schwarz-roten schmierigen Fleck auf dem beigefarbenen Uniformhemd des Polizeichefs.
    »Tot«, stellte er erleichtert fest. »Könnten’S mir jetzt noch einen Gefallen tun?«, fragte er, jetzt wieder ganz ruhig.
    »Wegmachen?«, fragte Anne, die nun ganz nah bei ihm stand.
    »Ja«, sagte er, peinlich berührt davon, dass er ihren Körpergeruch aufregend fand, obwohl die Loop sonst ja überhaupt gar nicht sein Typ war. Sie war so ganz anders als seine Helga, oder eben die Gitti vom Kiosk.
    »Haben Sie ein Lineal oder so was?«
    »Da!« Er zeigte auf den Stiftbecher auf dem Schreibtisch.
    Gerade als Anne sich mit dem Lineal an Nonnenmachers Brust zu schaffen machte, betrat Sepp Kastner ohne Voranmeldung den Raum.
    »Ja, was macht’s ihr denn da?«, fragte er mit einem Gesichtsausdruck, der Nonnenmacher an den eines Mannes erinnerte, der seine Ehefrau in flagranti mit dem Nachbarn ertappt. Deshalb reagierte der Dienststellenleiter sofort und sagte: »Ach nix, die Frau Loop macht mir bloß die Uniform sauber.«
    »Mit einem Lineal!«, entfuhr es Kastner empört. In seinem verliebten Kopf tobten die wildesten erotischen Phantasien.
    »Ja, hätt’ sie vielleicht einen Schlagstock nehmen sollen?«, meinte Nonnenmacher humorvoll und jetzt wieder völlig Herr der Situation.
    Kastner aber, der die phallische Form des Schlagstocks als noch bedrohlicher empfand, schrie entgeistert: »Nein, um Gottes willen!«
    »Jetzt krieg dich mal wieder ein, Seppi!«, meinte Anne beruhigend, während sie das erlegte Insekt in Nonnenmachers Papierkorb schnippte. »Es war doch nur eine Fliege.«
    Zum Beweis deutete Nonnenmacher mit seinem fleischigen Zeigefinger auf den roten Fleck auf seinem Hemd und sagte: »Eine Saufliege. Aber die Frau Loop hat ihr den Garaus gemacht.« Doch was er als Nächstes sagte, beunruhigte Sepp Kastner schon wieder: »Jetzt müsstest du aber trotzdem noch einmal hinausgehen, Sepp, weil ich habe mit der Frau Loop etwas zum bereden.« Als Kastner keine Anstalten machte, das Büro zu verlassen, fügte er hinzu: »Etwas Privates.«
    »Etwas Privates?« Kastner war entsetzt.
    »Ja, durch und durch privat«, wiederholte Nonnenmacher. »Also, geh jetzt bitte raus.«
    »Ja, was musst jetzt du mit der Anne Loop privat bereden, Kurt?«, fragte Kastner.
    »Sepp, jetzt horch einmal her: Privat ist privat und nicht dienstlich, und von daher kann dir das wurscht sein, was ich mit der Frau Kollegin zum bereden hab’. Weshalb du jetzt ganz schnell einmal die Fliege machst, Sakrament, bevor mir beide, also du und ich, an diesem schönen Tag noch zusammenrumpeln.«
    Gleich einem geprügelten Hund verließ Sepp Kastner den Raum, wobei er die Tür so vorsichtig hinter sich schloss, als wäre sie aus päpstlichem Hostienteig gebacken. Er wusste nicht, was er denken sollte: Hatte sein Vorgesetzter sich jetzt doch an die Loop herangemacht? Dabei hatte der Nonnenmacher immer behauptet, er sei glücklich verheiratet! Hatten ihn der anstehende Scheichsbesuch und das Nachdenken über die Vielweiberei liebestoll gemacht? Und die Loop: War sie doch nur eine von denen, die wichtiger fanden, welche Position ein Mann bekleidet, und nicht, welche inneren Werte er mitbringt? Während er diese finsteren Gedanken wälzte, hatte er sich zunächst Schritt für Schritt vom Dienstzimmer entfernt, um dann kehrtzumachen und wieder zur verschlossenen Bürotür zurückzuschleichen. Und ungeachtet der Tatsache, dass am anderen Ende des Gangs die Putzfrau den Boden wischte,

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