Aufgedirndlt
die Regel gibt, dass wir nichts gegen Männer haben. Nur sollen die nicht bei uns wohnen. Das gibt nur Ärger. Wenn sich aber eine von uns für eine Nacht einen Mann holt, dann ist das okay. Wir sind ja nicht frigide oder so was. Sex ist gut. Aber bleiben kann hier keiner. Und deshalb ist es auch Käse, dass du mich liebst, weil ohne Zukunft.«
Nach dieser Aussage hatte Madleen Felix im Bett liegen gelassen und war duschen gegangen. Felix hatte ihrem hübschen Po hinterhergesehen und dann einen stechenden Schmerz im Bauch gespürt. War es die Erkenntnis, dass er sich in seiner Suche nach einem neuen Lebensentwurf keineswegs am Ziel, sondern erst am Anfang befand? Oder tat es weh, dass Madleen ihn derart vor den Kopf gestoßen hatte? Hatte sie vielleicht recht, und es ging gar nicht, dass man sich so schnell in jemanden verliebte? Was war die Liebe überhaupt, und was durfte man sich von ihr erwarten? Nachdenklich lag er in Madleens Bett und befühlte mit seinen Händen den festen Stoff ihrer Decke. Durch das Fenster, das Madleen geöffnet hatte, bevor sie aus dem Zimmer entschwunden war, hörte er das Tuckern des alten Traktors und einige Mädchen, die gegen den Lärm anredeten. Was war das für ein merkwürdiges Lebenskonzept, sich als Frauengruppe zusammenzuschließen und keine Männer zuzulassen, außer für Sex? Auf den ersten Blick waren diese Mädels moderne Hippies. Aber das mit der freien Liebe schien es hier nur in einer Richtung zu geben. Und was hatte es mit diesem Amazonenkonzept auf sich? Dass es sich bei den Amazonen um eine in irgendeiner Weise kämpferische Frauengruppe handelte und dass ihre Geschichte aus der griechischen Mythologie stammte, das wusste Felix noch aus der Schule. Aber steckte bei dieser sonderbaren Mädchenkommune noch mehr dahinter? Felix griff nach seinem Mobiltelefon, loggte sich ins Internet ein und tippte in das Fenster der Suchmaschine das Wort »Amazonen« ein. Dann las er: In Homers Ilias wurden die Amazonen als Kriegerinnen dargestellt. Andere griechische Sagen berichteten von Frauen, die ohne Männer auf Inseln lebten und sich nur manchmal mit Männern von Nachbarinseln trafen, um sich befruchten zu lassen. Diese Frauen, so wollte es der Eintrag im Internetlexikon, opferten mitunter Männer, die an ihren Küsten strandeten. Felix lief es eiskalt den Rücken hinunter. Als Madleen aus der Dusche zurückkam und mit ihren nassen Haaren noch verführerischer aussah als vorher, fragte er sie: »Sag mal, verhütest du eigentlich?«
Madleen rubbelte sich die Haare trocken. Ihre Brüste erinnerten Felix an die drallen süßen Pflaumen, die im Garten seiner Großmutter gewachsen waren. Unwillkürlich bekam er bei ihrem Anblick Appetit. Auch wenn es vielleicht nicht Liebe war: Madleen übte eine unwiderstehliche Anziehung auf ihn aus. Er fühlte sich ihr ausgeliefert. Seine Frage, ob sie eigentlich verhüte, überging Madleen. Einfach so.
»Gehen wir frühstücken?«, fragte sie nun, nachdem sie sich ein orangefarbenes, eng anliegendes T-Shirt und graue Shorts angezogen hatte, die ihre Oberschenkel nur zur Hälfte bedeckten.
»Ich hatte dich was gefragt«, wagte Felix einen neuen Vorstoß.
»Ich dich auch: Gehen wir frühstücken?«, entgegnete Madleen.
Sie vermied es, ihm zu antworten! Doch bereits vor einer Woche hatte Felix beschlossen, sich in seinem neuen Leben fortan auch Klarheit über die Dinge zu verschaffen. Deshalb sagte er: »Ich habe mir das mit den Amazonen durch den Kopf gehen lassen.« Er stockte kurz. »Und ich habe im Internet nachgeschaut: Ich weiß, dass es auch Amazonen gab, die sich die Männer nur geholt haben, um sich schwängern zu lassen. Ist euer Klub auch so drauf?«
Das Lachen, das daraufhin ertönte, war von mädchenhafter Süße, und Felix war sich ziemlich sicher: Es war ein ehrliches Lachen. Trotz ihres gesunden Teints wurde Madleen auch ein wenig rot. Umgehend schoss das Blut auch in Felix’ Wangen: »Was nun?«, fragte er ungeduldig und mit dem Gefühl, sich gerade lächerlich zu machen: »Haben wir heute Nacht zehnmal oder was miteinander geschlafen? Und hast du nun verhütet oder nicht?«
»Nicht«, antwortete Madleen und sah ihm direkt in die Augen. Dann schob sie sofort hinterher: »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zurzeit nicht fruchtbar bin.« Diese Aussage beruhigte Felix kein bisschen. Nach einer Pause des Schweigens sagte er nur »krass« und musterte die schöne junge Frau, die da vor ihm stand. »Und was, wenn du
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