Aufgedirndlt
gewandt hätte.
Jetzt gab es möglicherweise ein weiteres Opfer. Das veränderte die Situation grundlegend. Entsprechend nervös war auch die Münchner Kripo, als Anne und Kastner zur Vernehmung der beiden Verdächtigen ins Polizeipräsidium an der Münchner Ettstraße kamen. Doch der Ausgang war enttäuschend: Tom Garner und Silvio Massone leugneten hartnäckig, etwas mit der Tat am See zu tun zu haben, geschweige denn überhaupt auf dem Seefest gewesen zu sein. Die Verdächtigen, die für Annes Begriffe eine Coolness an den Tag legten, die »zum Kotzen war«, verweigerten nicht nur einen freiwilligen Speicheltest, sie behaupteten obendrein, am Tatabend bei einem befreundeten Wirt in München zu Abend gegessen zu haben und danach sofort nach Hause gegangen zu sein.
Natürlich glaubte Anne den beiden kein Wort. Allerdings ergab eine Überprüfung durch die Münchner Kripo, dass besagtes Essen tatsächlich am Abend des großen Seefests stattgefunden hatte. Und auch die Mutter des noch zu Hause wohnenden Studenten bestätigte, dass jener in der betreffenden Nacht zu Hause genächtigt habe; jedenfalls, so erklärte sie, müsse er, als sie um sieben Uhr aufgestanden sei, bereits zu Hause gewesen sein. Denn die Tür zu seinem Zimmer sei verschlossen gewesen, und sie meine auch, dass seine Schuhe im Hausflur gestanden hätten.
Doch ganz gleich, was die zwei Männer behaupteten: Annes Bauchgefühl sagte ihr, dass sie es hier mit den Tätern zu tun hatte. Wütend, aber immerhin ausgestattet mit den Fotos der Tatverdächtigen, kehrte sie gemeinsam mit Kastner an den See zurück und konfrontierte Nonnenmacher mit ihrer Theorie. Der aber ließ sie zunächst gar nicht zu Wort kommen, so sehr regte er sich darüber auf, dass Anne und Kastner, ohne ihn zu informieren, in die Landeshauptstadt gefahren waren.
»Ja, wo kommen mir denn da hin?«, brüllte der Dienststellenleiter empört. »Wenn jede Henn’ frisst, wann’s mag?«
»Ich bin keine Henne«, antwortete Anne trotzig. »Und wir hatten Sorge, dass wir zu viel Zeit verlieren. Dass die Täter über alle Berge sind, ehe wir in München eintreffen.«
»Ja, und jetzt?«, fragte Nonnenmacher höhnisch. »Jetzt seid’s genauso schlau wie vorher!«
»Nein!«, wehrte sich Anne. »Immerhin haben wir jetzt Fotos von den beiden. Ich werde diese Typen überführen, das verspreche ich Ihnen!«
»Und warum beantragt’s keinen Gentest?«, wollte der Inspektionschef wissen, und es klang nach wie vor abfällig und respektlos.
»Einen freiwilligen haben sie abgelehnt, und ich … ich will …« Anne stammelte plötzlich. »Ich möchte nicht …«
»Das muss man doch auch verstehen«, sprang ihr Kastner bei. »Dass man jetzt nicht noch einmal einen Gentest veranlassen will, wo doch die letzten nicht das erwünschte Ergebnis gebracht haben. Das musst du doch verstehen, oder, Kurt?«
Als Anne den Raum verlassen hatte, meinte Nonnenmacher achselzuckend zu Kastner: »Die ist doch verrückt, oder? Verrückt ist die! Es ist doch erstens total unwahrscheinlich, dass solche Typen so was serienmäßig machen. Die wären ja schön blöd. Zweitens würden bei uns im Tal solche Verbrecher ja wohl sofort auffallen. Und drittens ist für mich sowieso jemand ganz anderer hauptverdächtig.«
»Wer?«, fragte Kastner interessiert.
»Die Araber«, sagte Nonnenmacher, und seine Stimme klang dabei so scharf wie ein herabsausendes Fallbeil.
»Ach Kurt, die haben mir doch alle abgecheckt mit dem Gentest«, setzte Kastner ihm hilflos entgegen. Was der Dienststellenleiter nur immer mit den Arabern hatte! Natürlich hatte so ein Afrikaner insgesamt andere Lebensgewohnheiten als ein Bayer, aber deswegen musste er ja noch lange kein Vergewaltiger sein.
»Einen Schmarren haben mir. Erstens haben mir bloß von dem Scheich und dem halbscharigen Aladdin den genetischen Fingerabdruck. Es kann also durchaus der Koch oder der Diener oder ein Leibwächter gewesen sein. Und zweitens trau’ ich dem Araber auch zu, dass der seine Gene irgendwie manipuliert hat, sodass das nicht übereingestimmt hat, obwohl’s das in Wahrheit müsste. Wer so einen Haufen Geld hat, der kann sicher auch da rumtricksen – wenn’s sogar bei der Tour de France geht.«
»Jetzt red’ doch nicht so einen Schafsscheiß! Erstens arbeiten die bei der Tour de France nicht mit Genmanipulation, sondern mit Blutaustausch, Hormonen und Dings. Und zweitens geht das gar nicht«, meinte Kastner. Der Chef nervte ihn. »Außerdem, wie oft soll
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