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Aufgeflogen - Roman

Aufgeflogen - Roman

Titel: Aufgeflogen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nimmt die Sache mit mehr Gleichmut. Sie wollte ja gar nicht die Anerkennung dieses Vaters, sagt sie. Selbst jetzt möchte sie in keiner Weise von ihm abhängigsein. Doch wenn er die Vaterschaft anerkennt, dann ist Deutschland ganz legal ihre Heimat. Auch Eugenia kann bleiben, bis ihre Tochter 18   Jahre alt ist.
    Und dann?
    »Das ist unklar«, erklärt mir Dad. »Da gibt es eine gewisse Rechtsunsicherheit.«
     
    Dad, der bisher viel Geld mit den Scheidungen anderer Paare verdient hat, will ihr helfen. Auf einmal entdeckt er seinen Glauben an Recht und Gerechtigkeit wieder.
    Er knüpft Kontakte zu einem alten Studienfreund. Der berät als Anwalt einen Verein, der Schulen in Kolumbien gründet und finanziell unterstützt. Eugenia war doch Lehrerin, nicht wahr? Vielleicht ist das ihre Zukunft. Vielleicht kann sie für den Verein arbeiten.
    Auch Mom schaltet sich ein. Gutes tun von Deutschland aus. Für Eugenia, für Schulkinder in Südamerika. Abends diskutiert sie mit Dad, wie man Menschen ohne Papieren in Deutschland helfen, wie man Menschen in Kolumbien unterstützen kann.
    Es ist ihr erstes gemeinsames Hobby, seit ich denken kann.
    Auf einmal redet Dad nicht mehr von einem Staat, der sich schützen muss. Sondern von Menschen, die es zu schützen gilt. Fast erscheint es mir sinnvoll, Jura zu studieren.
     
    Auch Lehnert alias Bruckner legt sich mehr ins Zeug, als ich erwartet hätte. Nachdem die Geschichte vom Mediziner und der Illegalen durch alle Boulevardblätter gegangen ist   – in jeder Zeitung stand übrigens eine andere Version zu lesen   –, haben sich die Wogen wieder geglättet. Wie es bei ihm privat aussieht, wie seine Frau die Sache hinnimmt, das weiß ich nicht. Aber er kämpft darum, seine Tochter kennenzulernen. Ich weiß, dass Isabel es ihm nicht leicht machen wird.
     
    Klar kommt auf mich auch einiges zu. Habe mich ja nicht so ganz im Rahmen des Gesetzes bewegt in diesen Tagen. Aber ich vertraue auf Dad. Wird er schon hinkriegen.
     
    Klingt optimistisch. Warum aber sind wir alle so gedämpft?
    Warum sind Isabel und ich nicht ausgelassen, fröhlich, erleichtert?
    Irgendetwas ist anders zwischen uns.
    Aber was?
    Hallo! Isabel kann bleiben! Ihr Abitur machen! Hier studieren!
    Deutsche Staatsbürgerschaft!
    Warum führen wir keine Freudentänze auf?
    Warum liegen wir uns nicht glücklich in den Armen?
    Das haben wir uns doch immer gewünscht!
    Dass sie sich frei und ungehindert in diesem Land bewegen kann.
    Keine Schattenexistenz, kein Versteckspiel, keine Angst mehr.
    Eine normale Gegenwart.
    Eine echte Zukunft.
    Wir sollten feiern, jubeln, vor Glück schreien.
    Aber wir können uns kaum in die Augen sehen.
    Wir fassen uns nicht an.
    Wir haben die schlimmsten Tage unseres Lebens durchgemacht.
    Zum Teil gemeinsam, zum Teil getrennt.
    Aber sie hat immer gewusst, dass ich für sie da bin, dass ich für sie kämpfe, dass ich sie in ihrer Not nicht alleinlasse.
    Warum aber tun wir uns so schwer, jetzt noch ein Paar zu sein?
    Warum geht sie auf Distanz, scheut meine Nähe?
     
    Okay, ich habe bestimmt eine Menge Fehler gemacht. Aber ich war auf ihrer Seite. Zählt das denn gar nicht?
     
    »Lass ihr Zeit«, rät mir Eugenia. »Es ist alles wie ein Albtraum für sie, und sie muss erst daraus erwachen.«
    »Erst klären wir das Juristische und dann kommt das Persönliche.« Das ist Dad, der Jurist.
    »Wunden müssen heilen.« Das ist Mom, die Heilpraktikerin.
    Das Sprichwort sagt: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Schwachsinn.
    Gemeinsam erlebtes Unglück kann Menschen auseinandertreiben. So wie Isabel und mich.
    Manchmal kann man nicht mal froh sein, wenn es einem endlich gut geht, wenn es eine Lösung gibt.
    Manchmal drückt die Vergangenheit so sehr, dass man die Zukunft noch nicht sehen kann.
     
    Ich weiß nun auch etwas vom Leben, wovon ich vor ein paar Monaten noch keine Ahnung hatte. Das macht mich nicht zu einem besseren Menschen. Aber zu einem anderen.
     
    Eine Woche ist seit der Nacht auf dem Hausboot vergangen.
    Isabel liegt noch im Krankenhaus. Die Brandwunden, die sie sich auf dem Schiff zugezogen hat, heilen schlecht.
    Täglich komme ich vorbei. Ich kann nicht sehen, ob sie sich freut. Wenn ich sie küssen möchte, dann erwische ich bestenfalls ihre Wange. Wenn ich ihre Hand nehme, dann hat sie etwas zu tun und zieht sie zurück, um in ihrer Teetasse zu rühren oder die Bettdecke glatt zu streichen.
    »Nächstes Jahr machen wir Abitur«, sage ich.
    Sie antwortet nicht. Noch ist nicht

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