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Aufgelaufen

Aufgelaufen

Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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seinen Klamotten, die wirren Gedanken in seinem Kopf, die zeugten wie immer vom Exzess. Ja, er würde aufräumen müssen. Wie jedes Mal nach solchen Explosionen; wie ständig in seinem zerplatzten Leben. Die Gedanken sortieren, hatte sie gesagt, als sie noch in ihm lebte. Gedanken sortieren, hatte er gefragt, kann man das? Denn sein Wollen traf jedes Mal auf Le e re, wenn er was sortieren wollte. Du musst dich konzentrieren, ermunterte sie ihn. Ja, wie denn? Da hatte sie sich zu ihm gesetzt, seine Hand geha l ten und ihn zur Ruhe gemahnt. Na , wie denn ruhig sein, er war unsicher. Ganz einfach, atme tief durch, denke an nichts, dann wird’s schon. Und dabei hatte sie von ihrem Odem abgegeben, als wenn sie ihm davon schenken wollte. Atmen, an nichts denken, loslassen? Heiß war ihm g e worden, wenn er ihren Arm an sich gedrückt spürte, ihre Hand auf seiner lag, ihr Atem ihn streichelte. Lust auf sie hatte er dann empfunden. Liebe?
    Jetzt war nichts von dem. Jetzt war ihm kalt, sie nicht mehr da, und er spürte demzufolge auch ihre beruhigende Hand nicht. Überreste sah er. Sie und sich. Sein Leben. Was davon da war. Und das endlos neu auf dem Prüfstand. Jeden Abend. Oft die ganze Nacht. Schon morgens spürte er neu die Angst vor dem Abend. Kalte Angst, die er nur mit Alkohol heru n ter spülen konnte. Die Angst vor Geburtstagen und sowieso. Schon wenn er von irgendwelchen Feiern in der Zeitung las. Trotzdem feierte er die annoncierten Tage mit. Er feierte alles. Seine Misere. Und seit sie nicht mehr war, versumpfte er tagtäglich. „Was soll’s“, dachte er danach i m mer.
     

3
     
    Seit Effie lebte er im Hamburger Umland und hatte, als einzigen Luxus, das Kreisblatt abonniert, warum und wozu auch immer. Später wusste er, es war Schicksal und dass er im Grunde nicht alleine sein wollte. Ein Jahr, nachdem sie nicht mehr da war, fing er damit an, durchstöberte einschl ä gige Annoncen. Erst las er die lediglich, malte sich aus, wer dahinter st e cken könnte. Dann, nach zwei, drei Monaten Lesens und Fantasierens wer, wie, was, schrieb er auf Inserate. Im Anschreiben an die Betreffende erzählte er nichts Persönliches. Er schrieb nur so lala und gab seine Tel e fonnummer an, einen Absender nie.
    Kaum waren die Briefe raus, begannen die Anrufe, von morgens bis abends, viele des Nachts. Die nervten besonders. Und, mein Gott, das waren Erfahrungen. Wer ihn da alles anrief! Die verrücktesten Geschic h ten hatte er gehört und er war, wie man so sagt, eigentlich abgebrüht, was Leid und Enttäuschungen betraf. Trotzdem, bei manchen der Geschichten, bei den Frustrationen, die ihm in intimen weingeschwängerten Telefong e sprächen anvertraut wurden , riss es ihn runter . Einfach so. Am nächsten Tag lag dann prompt sein eigenes Leben in Schutt und Asche. Sein Z u hause. Die Gespräche vom Abend lagen wirr auf dem Boden. Viele der abgestürzten Gedanken der Nacht pappten auf Zetteln geschrieben an den Wänden. Dann kam der Tag, da lernte er sie kennen, die er glaubte, bereits aus einem früheren Leben zu kennen. Die, die eine Stimme hatte und, als er sie dann traf, auch Effie ähnelte. Doch sie ähnelte Effie lediglich äuße r lich; das hatte er gleich in den ersten Momenten des Kennenlernens g e merkt.
    Sie hieß Mona und war habgierig, denn sie wollte gleich wissen, was er arbeitete und verdiente. Ob er ein Haus hatte, Vermögen auf dem Konto, ein luxuriöses Auto, usw. Das war’s dann und all seine weiteren Bem ü hen, über Bekanntschaftsanzeigen mit sich ins Reine zu kommen, waren sowieso ein Fehler, wie sein Leben ein einziger Fehler war.
     
    Das mit Effie nicht, das war kein Irrtum, kein Fehler, das war Leide n schaft und Liebe. Es begann und endete so. Effie war die Geliebte seines Vaters. Und als er sie das erste Mal sah, verliebte er sich in sie und diese Gemeinsamkeit schien auch die einzige genetische Verbindung zu seinem Alten zu sein. Und, bei einer folgenschweren Auseinandersetzung um Effie kam sein Vater zu Tode. Gut so ...
    „Ich hätte mich schon viel früher von dem Alten befreien sollen, schon vor der Legion“, dachte er nach dem Tod des Vaters. Dann hätte ich nicht vor meiner Wut in einen Krieg fliehen müssen, nicht jetzt für die Folgen des Totschlags in den Knast.
     
    „Legionäre”, sagte der Ausbilder in Siddi bel Abbes, „ihr habt euch zur Legion gemeldet um für Frankreich zu kämpfen – und zu sterben. Ich werde euch zeigen, wo ihr beides könnt. Weggetreten!”
    Pierre trat

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