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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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hervorragende Wissenschaftlerin und hat eine schwere Zeit hinter sich.»
    «Ich glaube, ich habe schon von ihr gehört. Hat sie nicht irgendein College in der Provinz geleitet?»
    «Doch, sie war drei Jahre lang Rektorin von Flamborough; aber die richtige Aufgabe war das nicht für sie; zuviel Verwaltungsarbeit, obwohl sie natürlich in Finanzfragen unübertrefflich war. Aber es war einfach zuviel – ihre eigene Forschungsarbeit, die Prüfung von Doktorarbeiten und so weiter, und dann noch die Studentinnen – Universität und College zusammen haben sie zerrieben. Sie gehört nämlich zu den Menschen, die unter allen Umständen ihr Bestes geben; aber ich glaube, die zwischenmenschlichen Kontakte waren für sie sehr unbefriedigend. Sie wurde krank und mußte für ein paar Jahre ins Ausland gehen. Eigentlich ist sie gerade erst nach England zurückgekehrt. Natürlich bedeutete der Abschied von Flamborough auch finanziell eine große Veränderung; um so erfreulicher ist es, zu wissen, daß sie jetzt die nächsten drei Jahre an ihrem Buch weiterarbeiten kann, ohne sich über diese Seite des Lebens Gedanken machen zu müssen.»
    «Jetzt fällt es mir wieder ein», sagte Harriet. «Ich erinnere mich, irgendwo eine Meldung über die Wahl gelesen zu haben, vorige Weihnachten oder um die Zeit.»
    «Wahrscheinlich haben Sie es im Shrewsbury-Jahrbuch gelesen. Wir sind natürlich sehr stolz darauf, sie hier zu haben. Eigentlich müßte sie ja eine Professur bekommen, aber ich weiß nicht, ob sie den Lehrbetrieb durchhalten würde. Je weniger Ablenkung sie hat, desto besser, denn sie ist nun einmal eine echte Gelehrte. Dort ist sie, da drüben – ach du lieber Himmel! Ich fürchte, jetzt ist sie an Miss Gubbins geraten. Erinnern Sie sich an Miss Gubbins?»
    «Verschwommen», sagte Phoebe. «Sie stand schon im dritten Jahr, als wir anfingen. Eine Seele von Mensch, aber so schrecklich ernst und bei Studentenversammlungen die Langeweile in Person.»
    «Sie ist ein sehr gewissenhafter Mensch», sagte Miss Lydgate, «aber sie hat nun einmal die unglückliche Gabe, jedes Thema trocken und langweilig anzugehen. Das ist so schade, weil sie andererseits so ausnehmend vernünftig und verläßlich ist. Aber bei ihrer derzeitigen Arbeit ist das nicht so wichtig; sie hat irgendwo eine Bibliothekarstelle – Miss Hillyard weiß sicher, wo –, und ich glaube, sie beschäftigt sich noch mit der Familie Bacon. Sie arbeitet sehr fleißig. Aber ich fürchte, sie unterzieht soeben die arme Miss de Vine einem Kreuzverhör, und das scheint mir bei einer solchen Gelegenheit nicht ganz das Wahre. Sollen wir ihr zu Hilfe eilen?»
    Während Harriet Miss Lydgate über den Rasen folgte, fühlte sie sich auf einmal von einem großen Heimweh erfaßt. Wenn man doch nur hierher in diese stillen Mauern zurückkehren könnte, wo nur intellektuelle Leistungen zählten! Wenn man hier ruhig und zielstrebig an einem klar umrissenen Problem arbeiten könnte, ohne Ablenkung und ohne Rücksicht auf Agenten, Verleger, Verträge, Klappentexter, Interviewer, Verehrer, Autogrammjäger, Geltungssüchtige und Konkurrenten! Alle persönlichen Be-Ziehungen aufgeben, alle persönlichen Fehden und Eifersüchteleien; sich in etwas Langweiliges und Dauerhaftes verbeißen; zur Festigkeit reifen wie die Buchen von Shrewsbury – dann könnte man vielleicht das Unglück und die Katastrophen der Vergangenheit vergessen oder sie wenigstens in den richtigen Proportionen sehen. Sie waren nämlich in gewissem Sinne gar nicht wichtig. Daß man einmal geliebt und gesündigt und gelitten hatte und dem Tod entgangen war, hatte letztlich weniger zu bedeuten als eine Fußnote in einer obskuren Gelehrtenzeitschrift, in der das wahre Alter eines Manuskripts bewiesen oder ein verlorengegangenes Jota subscriptum wieder zu Ehren gebracht wurde. Es war nur der Mann-gegen-Mann-Kampf mit den hartnäckigen Persönlichkeiten der anderen, die alle nach einem Platz im Rampenlicht strebten, was die Unglücksfälle im Abenteuer des eigenen Lebens im Zusammenhang der Dinge so groß und bedeutend wirken ließ.
    Aber sie war nicht sicher, ob sie zu einem solchen Rückzug aus der Welt jetzt imstande wäre. Sie hatte vor langer Zeit den Schritt getan, der das grau ummauerte Paradies Oxford für sie in die Vergangenheit verwies. Niemand kann im selben Fluß zweimal baden, nicht einmal in der Isis. Diese beengte Ruhe würde ihr heutzutage auf die Nerven gehen – das sagte sie sich zumindest.
    Sie rief ihre

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