Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
ich in der Zwischenzeit hoffen, hin und wieder von Ihnen zu hören, damit ich weiß, daß es Ihnen gutgeht?
    Stets der Ihre (mehr als der meine)
    Peter Wimsey»
     
    Nachdem Harriet diesen Brief gelesen hatte, wußte sie, daß sie ja doch keine Ruhe finden würde, bis er beantwortet war. Die leise Verbitterung, die in den ersten beiden Absätzen anklang, wurde durch die beiden letzten leicht erklärt. Wahrscheinlich dachte er – und konnte ja auch kaum anders denken –, daß sie ihn doch nun schon alle die Jahre kannte, nur um sich nicht etwa ihm, sondern einem Jüngling anzuvertrauen, der halb so alt wie er und zudem sein eigener Neffe war, den sie auch erst ein paar Wochen kannte und dem zu vertrauen sie keinen Anlaß hatte. Er hatte keinen Kommentar dazu gegeben und keine Fragen gestellt – das machte es noch schlimmer. Und was noch großmütiger war: Er hatte nicht nur davon Abstand genommen, ihr seine Hilfe oder seinen Rat anzubieten, was sie eventuell übelgenommen hätte; er hatte ausdrücklich anerkannt, daß sie ein Recht darauf hatte, sich in Gefahr zu begeben. «Passen Sie auf sich auf» – «Mir ist die Vorstellung schrecklich, daß Sie irgendwelchen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sind» – «Wenn ich doch nur dasein und Sie beschützen könnte» – jede dieser Floskeln wäre die ganz normale Reaktion eines Mannes gewesen.
    Nicht einer unter zehntausend würde zu der Frau, die er liebte, oder überhaupt zu irgendeiner Frau sagen: «Unannehmlichkeiten und Gefahren werden Sie nicht abhalten, und behüte Gott, daß sie es könnten.» Damit stellte er sie mit sich selbst auf eine Stufe, und das hatte sie von ihm nicht erwartet. Wenn er sich auch die Ehe so vorstellte, sollte das ganze Problem in diesem neuen Licht vielleicht noch einmal überdacht werden; aber das erschien doch kaum möglich. Um eine solche Einstellung zu haben und dabei zu bleiben, hätte er kein Mann, sondern ein Wunder sein müssen. Doch die Sache mit Saint-George mußte sofort aufgeklärt werden. Sie schrieb ihm rasch, ohne lange zu überlegen.
     
    «Lieber Peter,
    Nein. Ich sehe keine Möglichkeit. Trotzdem vielen Dank. Was die Geschichte in Oxford angeht – davon hätte ich Sie schon lange in Kenntnis gesetzt, aber sie ist nicht mein Geheimnis. Ich hätte auch Ihrem Neffen nichts davon erzählt, wenn er nicht selbst auf einen Teil davon gestoßen wäre und ich ihm somit den Rest erklären mußte, damit er nicht unbeabsichtigt Schaden anrichtete. Ich wollte, ich könnte Ihnen den Fall einmal schildern, und wäre sehr froh um Ihre Hilfe; wenn ich je die Erlaubnis dazu bekomme, werde ich es auch tun. Die Sache ist wirklich ziemlich unangenehm, aber nicht gefährlich – hoffe ich. Vielen Dank, daß Sie mir nicht den Rat gegeben haben, davonzulaufen und Murmeln zu spielen – das war das schönste Kompliment, das Sie mir je gemacht haben. Hoffentlich kommen Sie mit Ihrem Fall – oder woran Sie gerade arbeiten – gut voran. Es muß ja ein harter Brocken sein, wenn Sie so lange dafür brauchen.
    Harriet»
     
    Lord Peter Wimsey las diesen Brief auf einer Hotelterrasse mit Blick auf den von der strahlenden Sonne übergossenen Park des Monte Pincio. Das Schreiben setzte ihn so in Erstaunen, daß er es bereits zum viertenmal las, als ihm bewußt wurde, daß die Person, die hinter ihm stand, nicht der Kellner war.
    «Mein lieber Conte! Ich bitte sehr um Verzeihung. Was für Manieren! Aber ich hatte den Kopf in den Wolken. Erweisen Sie mir die Ehre, sich zu mir zu setzen? Servitore! »
    «Ich bitte Sie, sich nicht zu entschuldigen. Schließlich habe ich Sie gestört. Aber da ich fürchtete, der gestrige Abend könnte die Situation noch ein wenig mehr kompliziert haben –»
    «Es ist ein Unding, so lange und bis spät in die Nacht zu reden. Da benehmen erwachsene Männer sich wie übermüdete kleine Kinder, die ausnahmsweise mal bis Mitternacht aufbleiben dürfen. Ich gebe zu, daß wir alle ein wenig streitsüchtig waren, ich selbst nicht am wenigsten.»
    «Sie sind doch stets die Liebenswürdigkeit in Person. Darum dachte ich auch, ein Wort mit Ihnen allein – Wir sind doch beide vernünftige Menschen.»
    «Mein lieber Conte, Sie sind doch hoffentlich nicht gekommen, um mich zu etwas zu überreden. Es würde mir allzu schwerfallen, Ihnen etwas abzuschlagen.» Wimsey faltete den Brief zusammen und steckte ihn in seine Brieftasche. «Die Sonne scheint, und ich bin so recht in der Stimmung, aus lauter Vertrauensseligkeit Fehler zu

Weitere Kostenlose Bücher