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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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machen.»
    «Dann muß ich die Gunst der Stunde nutzen.» Der Conte stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor, Daumenspitze auf Daumenspitze und Kleine-Finger-Spitze auf Kleine-Finger-Spitze, lächelnd, unwiderstehlich. Vierzig Minuten später verabschiedete er sich immer noch lächelnd, ohne gemerkt zu haben, daß er mehr zugestanden als gewonnen und mit zehn Worten mehr verraten als in tausend Worten erfahren hatte.
     
    Von diesem Intermezzo wußte Harriet natürlich nichts. An diesem Abend aß sie allein und ein wenig bedrückt bei Romano. Sie war fast fertig, als ihr ein Mann auffiel, der sich gerade anschickte, das Lokal zu verlassen, und eine vage Geste des Erkennens zu ihr herüber machte. Er war in den Vierzigern, hatte eine beginnende Glatze, ein glattes, leeres Gesicht und einen dunklen Schnurrbart. Im ersten Moment wußte sie ihn nicht unterzubringen. Dann aber erinnerte etwas an seinem trägen Gang und der tadellosen Kleidung sie an einen Nachmittag auf dem Lord’s. Sie lächelte ihm zu, und er kam an ihren Tisch.
    «Hallo-hallo! Ich störe hoffentlich nicht. Wie geht’s, wie steht’s?»
    «Danke, gut.»
    «Prima. Hab mir gedacht, ich muß mich doch mal hinschleichen und guten Tag sagen. Oder guten Abend. Ich hatte nur Angst, Sie erkennen mich womöglich nicht wieder und finden mich aufdringlich.»
    «Natürlich erkenne ich Sie wieder. Sie sind Mr. Arbuthnot – der Ehrenwerte Frederick Arbuthnot – und ein Freund von Peter Wimsey, und ich habe Sie vor zwei Jahren beim Spiel Eton gegen Harrow kennengelernt, und Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Wie geht es ihnen denn?»
    «Einigermaßen, danke. Was Sie für ein Gedächtnis haben! Ja, und ein scheußlich heißer Nachmittag war das. Ich verstehe gar nicht, daß man unschuldige junge Damen zu so etwas hinschleppt, damit sie sich langweilen, während eine Horde kleiner Jungen um ihre Schulkrawatten spielt (das sollte ein Witz sein). Sie haben erstaunlich gute Miene dazu gemacht, das weiß ich noch.»
    Harriet antwortete gemessen, daß sie ein gutes Kricketspiel immer gern sehe.
    «Wirklich? Ich dachte, Sie wollten nur höflich sein. Wenn Sie mich fragen, mir passiert da zuwenig. Aber ich war selbst nie ein guter Spieler. Bei Peter ist das ja was anderes. Der kann sich immer schön aufregen und sich vorstellen, wieviel besser er das gemacht hätte.»
    Harriet bot ihm einen Kaffee an.
    «Ich hätte nie gedacht, daß sich einer auf dem Lord’s aufregt. Ich dachte, das tut man nicht.»
    «Na ja, die Atmosphäre erinnert einen nicht gerade an ein Fußballendspiel; aber sogar sanftmütige ältere Herren geben manchmal ein vernehmliches ‹Ts, ts› von sich. Wie wär’s mit einem Cognac? Kellner, zweimal Cognac. Schreiben Sie noch Bücher?»
    Harriet unterdrückte die Wut, die einen Berufsschriftsteller bei dieser Frage immer packt, und gestand, daß sie noch schrieb.
    «Es muß herrlich sein, schreiben zu können», meinte Mr. Arbuthnot. «Ich denke mir manchmal, ich könnte auch ein ganz gutes Garn spinnen, wenn ich den Grips dafür hätte. Über die komischen Sachen, die so passieren, verstehen Sie? Sonderbare Geschäfte und so was.»
    Eine matte Erinnerung an etwas, was Wimsey ihr einmal gesagt hatte, erhellte mit einemmal das Labyrinth von Harriets Gedanken: Geld. Das war die Verbindung zwischen diesen beiden Männern. Mr. Arbuthnot, so strohdumm er in jeder anderen Beziehung sein mochte, hatte eine Nase für Geld. Er wußte stets, was dieser wunderliche Artikel tun würde; es war das einzige, was er wußte, und auch das nur instinktiv. Wenn Kurse sich anschickten zu steigen oder zu fallen, lösten sie in dem, was Freddy Arbuthnot sein Gehirn nannte, eine Alarmglocke aus, und er reagierte auf diesen Alarm, ohne erklären zu können, warum. Peter hatte Geld, und Freddy verstand etwas vom Geld; das war ihr gemeinsames Interesse und das Band gegenseitigen Vertrauens, das eine sonst unerklärliche Freundschaft erklärte. Harriet bewunderte die eigenartigen Interessenverbindungen, von denen die männliche Hälfte der Menschheit zu einer Honigwabe verknüpft wurde, deren einzelne Zellen sich jeweils nur an einer Seite berührten, und doch ergab das Ganze ein festes, zusammenhängendes Gebilde.
    «Da ist erst kürzlich wieder so eine komische Sache bekanntgeworden», fuhr Mr. Arbuthnot fort. «Rätselhafte Geschichte. Konnte nicht Hand noch Fuß daran entdecken. Der gute alte Peter hätte sich bestimmt amüsiert. Wie geht es Peter

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