Aufruhr in Oxford
worden sei? Und wie Quint dies im Morning Star veröffentlicht und dadurch seine Verkaufsziffern um fünfzig Prozent gesteigert habe? Um irgendeine phantastische Zahl jedenfalls? Der Autor von Liebelei unter Pfingstrosen meinte jedoch, beim «Buch der Stunde» komme es nur auf persönliche Beziehungen an – sie wüßten doch sicher, daß Hepplewater mit der Schwester von Walton Strawberrys letzter Frau verheiratet sei. Der Autor von Ein Freudentag bestätigte die Sache mit den persönlichen Beziehungen, meinte aber, in diesem Fall gebe es politische Gründe, denn die Falsche Schildkröte sei ausgesprochen antifaschistisch, und man wisse ja, daß Sneep Fortescue für einen kräftigen Seitenhieb auf die Schwarzhemden immer zu haben sei.
«Worum geht es denn in der Falschen Schildkröte ?» fragte Harriet.
Die meisten versammelten Autoren beantworteten diese Frage ausweichend; nur ein junger Mann, der lustige Geschichten für Illustrierte schrieb und sich Unvoreingenommenheit gegenüber Romanen leisten konnte, sagte, er habe das Buch gelesen und finde es recht interessant, nur ein bißchen zu lang. Es handle von einem Schwimmlehrer in einem Badeort, der durch den Anblick so vieler Badeschönheiten einen schweren Antinacktheitskomplex entwickelt habe, der alle seine natürlichen Empfindungen abtötete. Er habe sich daraufhin auf einem Walfänger anheuern lassen und sich auf den ersten Blick in ein Eskimomädchen verliebt, weil es so ein schönes dickes Kleiderbündel gewesen sei. Er habe sie geheiratet und mit nach Hause gebracht, und hier habe sie sich in einen vegetarischen Nudisten verliebt. Ihr Mann sei daraufhin durchgedreht und habe einen Riesenschildkrötenkomplex entwickelt. Seine ganze Freizeit habe er vor dem Schildkrötenbassin im Aquarium verbracht und die trägen, wunderlichen Kreaturen beobachtet, wie sie wohlverhüllt in ihren Panzern vielsagend ihre Kreise zogen. Aber es spiele natürlich noch sehr viel anderes mit hinein – es sei eines jener Bücher, in denen sich die Dinge im allgemeinen aus der Sicht des Autors widerspiegelten. Alles in allem halte er «bedeutungsvoll» für das passendste Wort, um das Buch zu beschreiben.
Harriet fand allmählich, daß Tod zwischen Wind und Wellen in diesem Sinne auch etwas für sich hatte, war es doch zumindest ebenso bedeutungsvoll in keinem besonderen Sinne.
Sie kehrte verärgert zum Mecklenburg Square zurück. Als sie ins Haus trat, hörte sie im ersten Stock das Telefon wie irrsinnig schrillen. Sie eilte die Treppe hinauf – bei Anrufen wußte man ja nie. Doch als sie den Schlüssel ins Schloß ihrer Wohnungstür steckte, verstummte das Telefon abrupt.
«Verflixt!» schimpfte Harriet. Hinter der Tür lag ein Umschlag. Er enthielt Zeitungsausschnitte. Der eine taufte sie in «Miss Vines» um und sagte, sie habe in Cambridge studiert; ein anderer zog einen ungünstigen Vergleich zwischen ihren Büchern und denen eines amerikanischen Thrillerautors; ein dritter war eine verspätete Besprechung ihres letzten Buchs und verriet die Lösung; ein vierter schrieb ihr das Buch einer anderen Schriftstellerin zu und behauptete kühn, sie habe sich eine «sportliche Einstellung zum Leben» zugelegt (was immer das heißen sollte). «Das ist mal wieder ein Tag», sagte Harriet schwer verstimmt. «Ein richtiger 1. April! Und nun muß ich auch noch mit diesem Studenten essen gehen und die Last des unberechenbaren Alters fühlen.»
Zu ihrer Überraschung aber konnte sie das Essen wie das Theaterstück sogar genießen. Reggie Pomfret hatte etwas erfrischend Unkompliziertes an sich. Er wußte nichts von literarischen Eifersüchteleien; er hatte keine Meinung zur jeweiligen relativen Wichtigkeit persönlicher oder beruflicher Loyalitäten; er lachte herzhaft über die einfachsten Witze; er legte weder die eigenen noch anderer Leute Gefühle bloß; er gebrauchte keine doppelsinnigen Wörter; er forderte nicht dazu heraus, ihn anzugreifen, um sich dann plötzlich wie ein Gürteltier zusammenzurollen und der Welt einen glatten Schuppenpanzer ironischer Zitate zu bieten; es schwangen da keinerlei Obertöne mit; er war ganz einfach ein gutmütiger, nicht sonderlich gescheiter junger Mann und wollte einem Menschen, der ihm eine Freundlichkeit erwiesen hatte, seinerseits eine Freude machen. Harriet fand seine Gesellschaft außerordentlich erholsam.
«Kommen Sie noch auf ein Gläschen mit herauf?» fragte sie an der Haustür.
«Danke, sehr gern», sagte Mr. Pomfret, «wenn es
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