Aufruhr in Oxford
übrigens?»
«Ich habe ihn länger nicht gesehen. Er ist in Rom. Ich weiß nicht, was er da macht, aber ich nehme an, er arbeitet an irgendeinem Fall.»
«Nein, ich glaube, er hat das Vaterland zum Besten des Vaterlandes verlassen. Das ist meist so. Hoffentlich kann er ein bißchen für Ruhe sorgen. Die Börse ist leicht nervös.»
Mr. Arbuthnot machte fast ein intelligentes Gesicht.
«Was hat denn Peter mit der Börse zu tun?»
«Nichts. Aber wenn es irgendwo kracht, wirkt sich das immer auf die Börse aus.»
«Ich verstehe nur Bahnhof. Was hat Peter denn da draußen zu tun?»
«Außenministerium. Wußten Sie das nicht?.»
«Ich hatte nicht die leiseste Ahnung. Er ist doch nicht ständig da beschäftigt, oder?»
«In Rom, meinen Sie?»
«Nein, im Außenministerium.»
«Nein, aber manchmal schicken die ihn los, wenn sie glauben, daß er gebraucht wird. Er versteht mit Leuten umzugehen.»
«Aha. Warum hat er davon noch nie etwas erwähnt?»
«Ach, das weiß doch jeder; es ist kein Geheimnis. Er wird gedacht haben, das interessiert Sie nicht.» Mr. Arbuthnot balancierte geistesabwesend seinen Kaffeelöffel über der Tasse. «Ich habe Peter verdammt gern», war sein nächster, etwas sachfremder Beitrag. «Er ist ein richtig prima Kerl. Als ich ihn zuletzt sah, fand ich, er sah ein bißchen mitgenommen aus … Na ja, ich mache mich jetzt besser auf die Socken.»
Er stand ziemlich abrupt auf und sagte gute Nacht.
Harriet fand es etwas demütigend, sich so ihre Unwissenheit vor Augen führen lassen zu müssen.
Zehn Tage vor Trimesterbeginn hielt Harriet es nicht mehr in London aus. Der Tropfen, der das Faß ihres Widerwillens zum Überlaufen brachte, war eine Vorankündigung ihres Tod zwischen Wind und Wellen mit einem ausnehmend geschmacklosen Text. Sie hatte regelrechtes Heimweh nach Oxford und ihren Lefanu-Studien, die als Buch sicher einmal keinerlei Werbewirksamkeit haben würden, über die aber vielleicht eines Tages irgendein Gelehrter sagen würde: «Miss Vane hat ihr Thema kenntnisreich und gewissenhaft abgehandelt.» Sie rief die Quästorin an, ließ sich sagen, daß sie im Shrewsbury unterkommen könne, und flüchtete zurück in die Arme der Alma Mater.
Das College stand leer. Außer ihr waren nur noch die Quästorin und die Schatzmeisterin da sowie Miss Barton, die täglich in die Radcliffe Camera verschwand und sich nur zu den Mahlzeiten blicken ließ. Die Rektorin war zwar auch da, blieb aber in ihrer Wohnung.
Der April ging zu Ende, kühl und unstet, aber mit der Verheißung schöner Dinge, die da kommen sollten; und die Stadt hatte sich in diese verhaltene, heimliche Schönheit gehüllt, die sie in den Ferien immer umgibt. Keine jugendlichen Stimmen hallten zwischen ihren altehrwürdigen Mauern; keine Fahrräder flitzten mehr in der Enge der Turl Street durcheinander; auf dem Radcliffe Square schlief die Camera wie eine Katze in der Sonne, nur hin und wieder gestört durch den Besuch eines gemessen dahinschreitenden Dozenten; sogar auf der High Street schien das Gedröhn der Autos und Omnibusse gedämpfter, denn es war noch keine Urlaubszeit; Kähne und Kanus, für das Sommertrimester frisch auf Hochglanz gebracht, tasteten sich zögernd auf den Cherwell hinaus wie die glänzenden Knospen der Kastanien, aber noch herrschte auf den schimmernden Wasserwegen kein Gedränge; die sanften Glocken in den Türmen sangen vom Flug der Zeit durch die Ewigkeit des Friedens; und der «Große Tom» rief mit seinen abendlichen hundertundeins Schlägen nur die Krähen von den weiten Wiesen des Christ Church College zurück.
Vormittage in der Bodleiana, dösend zwischen Duke Humphreys abgenutztem Braun und mattgewordenem Gold, in der Nase den schwachen, dumpfigen Geruch langsam vermodernden Leders, in den Ohren nur die leisen Tritte zaghafter Füße auf dem Teppichboden; lange Nachmittage in einem Ruderboot auf dem Cherwell, den rauhen Druck der Riemen an den entwöhnten Händen fühlend, in den Ohren das befriedigende rhythmische Knarren der Gaffeln, auf der Bank gegenüber die Quästorin, der ein frischer Frühlingswind das dünne Seidenhemd gegen die kraftvoll arbeitenden Schultermuskeln drückte; oder, wenn die Tage wärmer waren, eine rasche Ausfahrt im Paddelboot, unter den Mauern des Magdalen College vorbei, über die gewundene Rennstrecke bei King’s Mill und Mesopotamia bis zum Parson’s Pleasure; und dann mit klarem Kopf und wohlig gestähltem Körper zurück, um sich am Feuer einen Toast
Weitere Kostenlose Bücher