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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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«Sie hatten doch eher an eine Privatdetektei gedacht, nicht wahr?»
    Die Frage war an Harriet gerichtet.
    «Ja. Aber wenn jemand etwas Besseres vorzuschlagen hat …»
    Niemand konnte mit einem nützlichen Vorschlag aufwarten. Die Diskussion ging weiter. Schließlich:
    «Miss Vane», sagte die Rektorin, «ich halte Ihre Idee für die beste. Könnten Sie sich mit dieser Agentur in Verbindung setzen?»
    «Gut, Dr. Baring. Ich rufe die Geschäftsleitung selbst an.»
    «Und Sie werden Diskretion wahren?»
    «Natürlich», sagte Harriet. Sie wurde allmählich etwas ungehalten. Die Zeit für Diskretion schien ihr vorbei zu sein. «Aber wenn wir hier Leute zu Hilfe rufen, müssen wir ihnen freie Hand lassen», fügte sie hinzu.
    Dieser Wink stieß offenbar auf wenig Gegenliebe, wenngleich seine Berechtigung nicht zu bestreiten war. Harriet sah schon, wie den Detektiven alle möglichen hinderlichen Auflagen gemacht würden, und sie erahnte die Schwierigkeiten, die geteilte Autorität mit sich bringen mußte. Die Polizei war nur sich selbst verantwortlich, aber bezahlte Privatdetektive mußten doch mehr oder weniger tun, was man ihnen sagte. Sie sah zu Dr. Baring und fragte sich, ob Miss Climpson oder eine ihrer Untergebenen wohl in der Lage wäre, sich gegen diese achtunggebietende Persönlichkeit durchzusetzen.
     
    «Und nun», sagte die Dekanin, als sie und Harriet zusammen über den Hof gingen, «muß ich mich um die Newlands kümmern. Darauf freue ich mich gar nicht. Die Ärmsten werden furchtbar aufgebracht sein. Er ist ein kleiner Beamter, und die Karriere ihrer Tochter bedeutet ihnen alles. Vom Persönlichen einmal abgesehen, wird es auch ein böser Schlag sein, wenn die Geschichte ihr das Examen vermasselt. Sie sind arm und arbeiten schwer und sind so stolz auf sie –»
    Miss Martin machte eine kleine verzweifelte Geste, dann gab sie sich einen Ruck und ging, sich ihrer Aufgabe zu stellen.
     
    Miss Hillyard war im vollen Talar auf dem Weg zu einem der Hörsäle. Sie sah hohläugig und verzweifelt aus, fand Harriet. Ihr Blick ging unruhig hin und her, als ob sie sich verfolgt fühlte.
    Aus einem offenen Fenster im Erdgeschoß des Queen-Elizabeth-Baus ertönte Miss Shaws Stimme beim Nachhilfeunterricht:
    «Sie hätten ebensogut aus dem Essay De la Vanité zitieren können. Sie erinnern sich doch an diese Passage? Je me suis couché mille fois chez moi, imaginant qu’on me trahirait et assomerait cette nuit-là – sein morbides Vertieftsein in die Vorstellung vom Tod und sein –»
    Die akademische Maschinerie lief weiter. An der Tür, die zu ihren Büros führte, standen die Quästorin und die Schatzmeisterin beieinander, die Hände voller Papiere. Sie schienen über irgendein Finanzproblem zu diskutieren. Ihre Blicke waren lauernd und feindselig auf beiden Seiten; sie sahen aus wie zwei übelgelaunte Hunde, zusammengekettet und durch ein Machtwort ihres Herrn zu zähneknirschender Freundlichkeit gezwungen.
    Miss Pyke kam die Treppe herunter und ging wortlos an ihnen vorbei. Immer noch wortlos ging sie auch an Harriet vorbei und bog um die Ecke. Sie hielt den Kopf trotzig hoch. Harriet ging ins Haus und weiter zu Miss Lydgates Zimmer. Sie wußte, daß Miss Lydgate gerade Vorlesung hatte; so konnte sie ungestört ihr Telefon benutzen. Sie meldete ein Gespräch nach London an.
     
    Eine Viertelstunde später legte sie entmutigt den Hörer wieder auf. Warum es sie so überrascht hatte zu hören, daß Miss Climpson nicht in der Stadt und «wegen eines Falles unterwegs» sei, hätte sie nicht sagen können. Irgendwie erschien es ihr ungeheuerlich, daß dies so sein sollte; aber es war so. Ob sie mit jemand anderem sprechen wolle? Harriet fragte nach Miss Murchison, der einzigen Mitarbeiterin der Detektei, die ihr persönlich bekannt war. Miss Murchison habe vor einem Jahr die Firma verlassen und geheiratet. Harriet empfand das fast als persönlichen Affront. Einer Wildfremden mochte sie die unschönen Einzelheiten der Shrewsbury-Affäre nicht anvertrauen. Sie sagte, sie werde schreiben, legte auf und fühlte sich sonderbar hilflos.
    Es war ja so leicht, den Entschluß zu fassen und zum Telefon zu eilen, um unverzüglich «etwas zu tun». Aber andere Leute sitzen nicht däumchendrehend da und warten nur darauf, unserem zweifellos hochinteressanten und wichtigen Ich zu Diensten sein zu dürfen. Harriet lachte sich selbst ob ihrer Enttäuschung aus. Sie hatte sich entschlossen, sofort etwas zu unternehmen, und nun

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