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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ein Boot nehmen – und wenn wir ein Bootshaus dazu aufbrechen müssen. Miss Martin –»
    «Ich komme mit», sagte die Dekanin.
    «Wir brauchen Taschenlampen und Decken. Heißen Kaffee. Cognac. Sorgen Sie am besten dafür, daß die Polizei einen Beamten schickt, den wir bei Timms treffen können. Miss Haydock, Sie rudern besser als ich –»
    «Ich komme mit», sagte Miss Haydock. «Gott sei Dank, daß endlich was passiert.»
     
    Lichter auf dem Fluß. Das Platschen der Ruderblätter. Das regelmäßige Knarren der Gaffeln.
    Das Boot kroch langsam den Fluß hinunter. Der Konstabler, der im Bug hockte, schickte den Strahl einer kräftigen Taschenlampe von Ufer zu Ufer. Harriet hielt die Steuerleinen und teilte ihre Aufmerksamkeit zwischen der dunklen Strömung und dem sich bewegenden Licht vor ihr. Die Dekanin ruderte mit langsamem, stetigem Schlag, den Blick vor sich, die Gedanken bei ihrer Aufgabe. Auf ein Kommando des Polizisten ließ Harriet das Boot auf ein unförmiges Gebilde zugleiten, das schwarz und schlammig auf dem dunklen Wasser trieb. Das Boot neigte sich zur Seite, als der Mann sich hinauslehnte. In der Stille hörte man ein Ächzen, Plätschern und Ruderknarren vom gegenüberliegenden Ufer der nächsten Biegung.
    «Alles klar», sagte der Polizist. «Nur ein alter Sack.»
    «Fertig? Los!»
    Die Ruderblätter tauchten wieder ins Wasser.
    «Ist das, was da raufkommt, das Boot der Quästorin?» fragte die Dekanin.
    «Sehr wahrscheinlich», antwortete Harriet.
    In dem Moment, als sie sprach, ertönte aus dem andern Boot ein Ruf. Dann ein lautes Platschen und ein Schrei und der Ruf des Konstablers: «Da ist sie!»
    «Rudern Sie auf Teufel komm raus!» sagte Harriet. Als sie an den Steuerleinen zog, um das Boot auf die Biegung auszurichten, sah sie über die Schulter der Dekanin hinweg im Strahl der Taschenlampe, was sie gesucht hatten – den schimmernden Kiel eines Kanus mitten in der Strömung, daneben die treibenden Paddel; und ringsherum war das Wasser noch in heftiger Bewegung von dem Sprung.
    «Aufgepaßt, meine Damen! Nicht daß wir drüberfahren. Sie kann nicht weit weg sein.»
    «Pause!» kommandierte Harriet, und dann: «Rückwärts! Ruder streichen!»
    Das Wasser gluckste und wirbelte um die gegen die Strömung arbeitenden Ruderblätter. Der Konstabler rief das heraufkommende Boot an und zeigte zum linken Ufer.
    «Da drüben bei der Weide.»
    Das Licht erfaßte die silbrigen Blätter, die wie Regentropfen über dem Fluß hingen. Darunter bewegte sich etwas, blaß und unheilkündend.
    «Pause. Los! Bugmann ein Schlag. Noch einen. Noch einen. Pause. Los. Eins, zwei, drei. Pause. Schlagmann ein Schlag, Bugmann zurück. Eins, zwei. Pause. Auf die Ruder aufpassen!»
    Das Boot glitt quer über den Strom und drehte sich um, immer den Zeichen des Polizisten folgend. Er kniete im Bug und starrte ins Wasser. Etwas Weißes tauchte schimmernd an die Oberfläche und verschwand wieder.
    «Noch ein bißchen beidrehen, Miss.»
    «Klar? Schlagmann ein Schlag, los. Noch einen. Pause. Streichen!»
    Er lehnte sich hinaus und suchte mit beiden Händen zwischen den Schlingpflanzen herum. «Kurz zurück. Pause. Bugruder aus dem Wasser. Boot trimmen. Rücken Sie auf die andere Seite. Haben Sie sie?»
    «Ich hab sie – aber die Schlingpflanzen sind unheimlich stark.»
    «Passen Sie auf, daß Sie nicht über Bord gehen, sonst sind es gleich zwei. Miss Haydock – Klar zur Übernahme! Sehen Sie zu, ob Sie dem Konstabler helfen können. Miss Martin – einen ganz sanften Schlag, und dann rücken Sie rüber.»
    Das Boot schaukelte bedenklich, während sie an den Schlingpflanzen herumrissen, die rasiermesserscharf und so stark waren wie Metallbänder. Die ‹Wasserfliege› war jetzt auch herangekommen und näherte sich ihnen. Harriet rief Miss Stevens zu, sie solle ihre Ruder einziehen. Die Boote glitten aufeinander zu. Der Kopf des Mädchens war jetzt über Wasser, totenblaß und leblos, entstellt von schwarzem Schlamm und dunklen, streifigen Wasserpflanzen. Der Konstabler hielt den Körper. Miss Haydock hatte beide Hände im Wasser und bearbeitete die Schlingpflanzen, die sich heimtückisch um die Beine gewickelt hatten, mit einem Messer. Das andere Boot war durch sein leichtes Gewicht behindert und neigte sich bedenklich zur Seite, als seine Insassinnen sich hinüberlehnten und mit anfassen wollten.
    «Zum Teufel, trimmen Sie Ihr Boot!» rief Harriet, die den Gedanken, sich um noch zwei Leichen kümmern zu müssen, nicht

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