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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sehr erfreulich fand und in ihrem Zorn ganz vergaß, mit wem sie sprach. Miss Stevens beachtete sie nicht; aber Miss Edwards warf ihr Gewicht zur anderen Seite, und als das Boot sich aufrichtete, kam auch der Körper hoch. Harriet, die den Rettern mit der Taschenlampe leuchtete, sah, wie sich die letzten Schlingen der widerstrebenden Pflanzen lösten und in die Fluten zurücksanken.
    «Wir nehmen sie besser hier herein», sagte der Konstabler. In ihrem Boot war zwar weniger Platz, aber es war besser ausbalanciert und verfügte über die kräftigeren Arme. Es neigte sich mit einem heftigen Ruck zur Seite, als das leblose Gewicht hereingezogen wurde und als tropfendes Bündel vor Miss Haydocks Füßen landete.
     
    Der Konstabler war ein tüchtiger und energischer junger Mann. Mit bewundernswerter Schnelligkeit nahm er die Wiederbelebungsversuche in die Hand. Die am Ufer versammelten Frauen sahen ihm mit angstvollen Gesichtern zu. Vom Bootshaus war inzwischen noch mehr Hilfe eingetroffen. Harriet übernahm es, die Fragenflut einzudämmen.
    «Ja. Eine unserer Studentinnen. Keine geübte Wassersportlerin. Einen Schrecken bekommen, als wir hörten, daß sie allein mit einem Kanu unterwegs war. Ja, wir hatten Angst, sie könnte verunglücken. Wind. Starke Strömung. Ja. Nein. Völlig gegen die Vorschrift.» (Sollte es zu einer gerichtlichen Untersuchung kommen, würden dort vielleicht andere Erklärungen gegeben werden müssen. Aber nicht hier. Nicht jetzt.) «Sehr unklug. Reiner Übermut. O ja. Sehr bedauerlich. Leichtsinn …»
    «Sie ist wieder bei sich», sagte der Konstabler.
    «Er richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.»
    Cognac. Decken. Eine traurige kleine Prozession an den Wiesen entlang zum Bootshaus, aber nicht so traurig, wie sie hätte sein können. Dann ein langes Herumtelefonieren. Der Arzt kam. Harriet, die plötzlich mit den Nerven am Ende war, spürte ein Glas Whisky von einem freundlichen Mitmenschen in ihre Hand gedrückt. Der Patientin ging es besser. Der Patientin ging es ganz gut. Der tüchtige Polizist und Miss Haydock und Miss Stevens ließen sich die Hände verbinden, da die messerscharfen Schlingpflanzen ihnen Schnitte bis auf die Knochen beigefügt hatten. Es wurde geredet und geredet. Harriet hoffte nur, daß kein dummes Zeug geredet wurde. « Also » , flüsterte ihr die Dekanin ins Ohr, «das ist ja eine Nacht!»
    «Wer ist jetzt bei Miss Newland?»
    «Miss Edwards. Ich habe ihr eingeschärft, das Mädchen nichts sagen zu lassen, wenn sie es verhindern kann. Und dem netten Polizisten habe ich auch ein Schweigeversprechen abgenommen. Ein Unfall, meine Liebe, ein Unfall. Alles klar. Wir haben unser Stichwort verstanden. Großartig, wie Sie Ihren klaren Kopf behalten haben! Miss Stevens hat den ihren allerdings ein bißchen verloren. Fing an zu heulen und von Selbstmord zu reden. Aber ich habe sie schnell zum Schweigen gebracht.»
    «Menschenskind!» sagte Harriet. «Was bezweckte sie denn damit?»
    «Ja, was wohl? Man könnte meinen, sie w ill einen Skandal.»
    «Jemand will ihn ja offensichtlich.»
    «Sie meinen doch nicht, daß Miss Stevens –? Sie hat immerhin bei der Rettung kräftig mit zugepackt.»
    «Ja, ich weiß. Ist schon gut, Miss Martin. Ich meine gar nichts. Ich versuche gar nicht erst, etwas zu meinen. Ich hatte nur Angst, Miss Stevens und Miss Edwards würden zusammen noch ihr Boot umkippen.»
    «Reden wir nicht mehr darüber. Gott sei Dank ist es nicht zum Schlimmsten gekommen. Das Mädchen ist in Sicherheit, und allein darauf kommt es an. Jetzt müssen wir nur noch möglichst gute Miene machen.»
     
    Es war schon fast fünf Uhr morgens, als die Retter, müde und zerschunden, wieder in der Wohnung der Rektorin saßen. Alle waren voll des Lobes füreinander.
    «Wie klug von Miss Vane», sagte die Dekanin, «daran zu denken, daß die arme Kleine möglicherweise genau zu dieser Stelle wollte! Welch ein Glück, daß wir gerade in diesem Augenblick dazugekommen sind!»
    «Da bin ich nicht so sicher», meinte Harriet. «Wir haben vielleicht mehr geschadet als genützt. Ist Ihnen klar, daß sie sich erst entschlossen hat, es zu tun, als sie uns kommen sah?»
    «Sie meinen, sie hätte es womöglich gar nicht getan, wenn wir ihr nicht nachgefahren wären?»
    «Schwer zu sagen. Ich nehme an, sie wollte es noch hinausschieben. Was sie dann zum Springen veranlaßt hat, war dieser Ruf aus dem andern Boot. Wer hatte da übrigens gerufen?»
    «Ich», sagte Miss

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