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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Satz elfenbeingeschnitzter Schachfiguren, die es ihr wider alle Vernunft angetan hatten. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, kurz entschlossen hineinzugehen und sie zu kaufen; aber sie wußte, daß sie zu teuer wären. Es war eine chinesische Arbeit, und jede Figur bestand aus einem komplizierten Gebilde kleiner Kügelchen, zart wie Spitzen. Es wäre schön, sie anzufassen, aber närrisch, sie zu kaufen; sie war nicht einmal eine gute Schachspielerin, und überhaupt konnte man mit solchen Figuren nicht ruhigen Gewissens spielen. Sie widerstand der Versuchung und ging weiter. Ein Schaufenster war voller Holzgegenstände mit den verschiedenen Collegewappen darauf: Bücherstützen, Streichholzständer, Federhalter, wie Ruder geformt und furchtbar schwerfällig, Zigarettenkästchen, Tintenfässer und sogar Puderdosen. Ob es der «Fassadenrenovierung» eine besondere Würze gab, wenn einem die Löwen des Oriel oder die Vögel des Worcester dabei zusahen? Wenn man daran erinnert wurde, daß man einen Verlobten unter den trippelnden Hirschen des Jesus oder einen vom frommen Pelikan genährten Bruder am Corpus Christi hatte? Sie überquerte die Straße, bevor sie zum Queen’s kam (denn womöglich schoß dort Mr. Pomfret aus dem Tor, und einer Begegnung mit Mr. Pomfret wich sie lieber aus), und ging auf der andern Seite weiter. Bücher und Stiche – meist wunderschön, aber doch nicht faszinierend genug, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Roben und Talare, farbenfroh, aber für ihre derzeitige Stimmung zu akademisch. Eine Apotheke. Ein Schreibwarenladen mit weiterem College-Krimskrams, diesmal in Glas und Keramik. Ein Tabakladen mit noch mehr Wappen auf Aschenbechern und Tabakdosen. Ein Juwelierladen mit Collegewappen auf Löffeln, Broschen und Serviettenringen. Sie hatte die Collegeembleme langsam satt und bog in ein Nebensträßchen zur Merton Street ein. In dieser unberührten, kopfsteingepflasterten Straße mußte Friede sein, wenn es ihn überhaupt irgendwo gab. Aber Friede ist in der Seele, nicht auf den Straßen, mögen sie noch so alt und schön sein. Sie ging durch das eiserne Tor in den Merton Grove, überquerte den Deadman’s Walk, kam so auf den Broad Walk von Christ Church und folgte diesem bis zum Treidelpfad, wo der neue Kanal in die Isis mündet. Und hier wurde sie zu ihrem maßlosen Entsetzen von einer ihr wohlbekannten Stimme angerufen. Durch ein besonderes Zusammenwirken aller Kräfte des Bösen war sie Miss Schuster-Slatt in die Arme gelaufen, deren Anwesenheit in Oxford sie bis zu diesem Augenblick selig vergessen hatte; in ihrem Schlepptau befand sich eine Gruppe amerikanischer Touristen, die alle vor Wißbegier platzten. Miss Vane sei genau die Person, die ihnen alles sagen könne. Ob sie wisse, welcher von diesen Kähnen zu welchem College gehöre? Waren diese süßen kleinen blau-goldenen Köpfe Greife oder Phönixe, und waren es drei, um die Dreieinigkeit zu symbolisieren, oder war das nur Zufall? Waren dies die Lilien vom Magdalen? Und wenn ja, warum stand dann überall um den Kahn herum der Buchstabe «W», und was bedeutete er? Warum hatte das Pembroke College oben in seinem Wappen die englische Rose und die schottische Distel? Warum waren die Rosen des New College auch englische Rosen? Warum hieß es «Neu», wenn es doch schon so alt war, und warum sagte man nicht einfach kurz «New», sondern immer «New College»? Oh! Sieh mal, Sadie – sind das Gänse, die da fliegen? Schwäne? Wie interessant! Gab es viele Schwäne auf dem Fluß? Stimmte es, daß alle Schwäne in England dem König gehörten? War das ein Schwan da auf dem Kahn? Ach so, ein Adler. Warum hatten manche Kähne Galionsfiguren und andere nicht? Veranstalteten die «Jungs» auf diesen Kähnen ihre Teepartys? Könne Miss Vane ihnen einmal diese Wettrennen erklären, bei denen die Boote sich immer anstoßen mußten? Sadies Erklärung habe nämlich niemand verstanden. War das der Kahn der Universität? Ach so, des University College. War das University College der Ort, wo alle Vorlesungen gehalten wurden?
    Und so weiter und so fort – den ganzen Treidelpfad entlang, den ganzen langen Weg hinauf bis zu den Meadow Buildings und dann durchs ganze Christ Church College, vom Speisesaal in die Küche, von der Kathedrale in die Bibliothek, vom Merkursbrunnen zum Großen Tom, während die ganze Zeit der Himmel tiefer heruntersank und das Wetter immer drückender wurde, bis Harriet, die aufgebrochen war mit einem Gefühl, als ob ihr

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