Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
ganzer Kopf mit Wolle ausgestopft sei, rasendes Kopfweh hatte.
     
    Das Gewitter hielt sich noch bis nach dem Abendessen zurück, abgesehen von einem gelegentlichen drohenden Donnergrollen. Um zehn Uhr zuckte der erste große Blitz über den Himmel wie ein Suchscheinwerfer und ließ Dächer und Baumwipfel bläulichviolett vor der schwarzen Finsternis aufleuchten, gefolgt von einem Donnerschlag, der die Mauern erzittern machte. Harriet riß ihr Fenster hoch und beugte sich hinaus. Es duftete süß nach nahendem Regen. Noch ein Blitz und ein Krachen; ein rascher Windstoß; und dann das Rauschen und Brausen herabstürzender Wassermassen, das Gurgeln überfließender Traufen – und Friede.

14. Kapitel
    Laß Waffen ruhn, Geliebte, Schwerter nicht mehr klingen,
Lang scheint mir’s her, daß dieser Krieg begann;
Nicht konnt’st du mich, noch konnt ich dich bezwingen:
Ein schlechter Strauß, den keine Seit gewann.
Bedingungslosen Frieden biet ich dir,
Mein Herz zur Geisel, daß er hat Bestand;
Laß Schlachten schweigen, Bosheit enden hier,
Für mein Wort gib mir deins zum Unterpfand.
    MICHAEL DRAYTON
     
    «Das war ein schönes Gewitter», sagte die Dekanin.
    «Erstklassig», meinte die Quästorin trocken, «für Leute, die das gern haben und sich nicht mit denen herumplagen müssen, die es nicht gern haben. Im Hausmädchenflügel war die Hölle los; ich mußte hingehen. Carrie kreischte hysterisch, die Köchin glaubte ihr letztes Stündlein gekommen, und Annie schrie zum Himmel, daß ihre lieben Kinderchen Todesängste litten und sie sofort nach Headington müsse, um sie zu trösten –»
    «Mich wundert, daß Sie ihr nicht das schnellste Auto zur Verfügung gestellt und sie unverzüglich heimgeschickt haben», warf Miss Hillyard sarkastisch ein.
    «– und eines der Küchenmädchen verfiel in einen Religionswahn», fuhr Miss Stevens fort, «und beichtete vor einem entzückten Zuhörerkreis ihre Sünden. Ich verstehe nicht, wie Menschen sich so gehenlassen können.»
    «Ich habe fürchterliche Angst vor Donner», sagte Miss Chilperic.
    «Die Newland, dieser Unglückswurm, war wieder völlig aus dem Häuschen», sagte die Dekanin. «Die Sanitäterin hatte richtig Angst um sie. Sie sagt, das Mädchen vom Krankenrevier habe sich im Wäscheschrank versteckt, und sie habe sehr ungern mit der Newland allein bleiben wollen. Miss Shaw hat sich dann freundlicherweise ihrer angenommen.»
    «Wer waren denn die vier Studentinnen, die da auf dem Hof im Badeanzug getanzt haben?» fragte Miss Pyke. «Sie boten ein regelrecht zeremonielles Bild. Mich erinnerte das an die Ritualtänze der –»
    «Ich hatte Angst, der Blitz könnte in eine der Buchen einschlagen», sagte Miss Burrows. «Manchmal frage ich mich, ob es nicht gefährlich ist, daß sie so nah bei den Gebäuden stehen. Wenn nun mal eine umstürzt –»
    «In meiner Decke ist ein großes Leck, Miss Stevens», sagte Mrs. Goodwin. «Es regnete durch wie aus einem Wasserspeier, und das genau über meinem Bett. Ich mußte alle Möbel wegrücken, und der Teppich ist völlig –»
    «Jedenfalls», wiederholte die Dekanin, «war es ein schönes Gewitter, und es hat die Atmosphäre gereinigt. Sehen Sie doch mal. Kann sich jemand einen schöneren, klareren Sonntagmorgen vorstellen?»
    Harriet nickte. Die Sonne strahlte auf das nasse Gras, und es wehte ein frischer, kühler Wind.
    «Mir hat es Gott sei Dank das Kopfweh weggeblasen. Und heute möchte ich einmal etwas richtig Ruhiges und Schönes tun, was man nur in Oxford tun kann. Sind das nicht herrliche Farben? Wie das Blau und Rot und Grün in einem illuminierten Meßbuch!»
    «Ich will Ihnen sagen, was wir tun», strahlte die Dekanin. «Wir gehen fromm und brav in den Universitätsgottesdienst und hören uns die Predigt an. Etwas Beruhigenderes und Akademischeres kann ich mir nicht vorstellen. Und Dr. Armstrong predigt. Das ist immer interessant.»
    «Universitätsgottesdienst?» fragte Harriet belustigt. «Also, darauf wäre ich zuallerletzt gekommen. Aber es ist wirklich eine Idee. Gehen wir.»
     
    Ja, die Dekanin hatte recht: Hier zeigte sich der große anglikanische Kompromiß von seiner tröstlichsten und feierlichsten Seite. Die gemessene Prozession der Doktoren in voller akademischer Tracht; der Vizekanzler, der sich vor dem Prediger verneigte, und die vor ihnen her tänzelnden Herolde; der lange Zug schwarzer Talare und die sittsam-bunte Sommerkleiderpracht der Professorengattinnen; die Hymne und das Bittgebet; der

Weitere Kostenlose Bücher