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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Aufzeichnungen geheftet, doch er atmete, als ob er gerannt wäre.
    So, dachte Harriet, nun ist es passiert. Aber es ist schon vor langem passiert. Das einzig Neue daran ist, daß ich es jetzt vor mir selbst zugeben muß. Ich wußte es ja schon seit geraumer Zeit. Aber weiß er es? Nach diesem Intermezzo kann er es schwerlich nicht wissen. Anscheinend will er es aber bewußt nicht zur Kenntnis nehmen, und das mag neu sein. Wenn es so ist, dürfte es leichter für mich sein zu tun, was ich vorhatte.
    Sie starrte unverwandt auf das sich kräuselnde Wasser, aber sie war sich jeder seiner Bewegungen bewußt, jeder umgeblätterten Seite, jedes Atemzugs von ihm. Sie schien sich geradezu jedes einzelnen Knochens in seinem Leib bewußt zu sein. Schließlich sprach er, und sie konnte sich nur noch fragen, wie sie je eines anderen Mannes Stimme mit der seinen hatte verwechseln können.
    «Nun, Harriet, eine schöne Geschichte ist das nicht.»
    «O nein. Und das darf einfach nicht so weitergehen, Peter. Wir dürfen es nicht soweit kommen lassen, daß noch mehr Leute in den Fluß getrieben werden. Öffentlichkeit hin, Öffentlichkeit her, es muß Schluß sein. Sonst werden wir, auch wenn niemand mehr zu Schaden kommt, alle noch verrückt.»
    «Das ist das Teuflische daran.»
    «Sagen Sie mir, was wir tun sollen, Peter.»
    Sie sah ihn jetzt wieder nur noch als den ihr wohlvertrauten Verstand, der so merkwürdig hinter diesen eigenartig interessanten Gesichtszügen lebte und arbeitete.
    «Hm – es gibt zwei Möglichkeiten. Sie können das ganze College mit Spionen durchsetzen und warten, ob Sie die Betreffende bei ihrem nächsten Unternehmen erwischen.»
    «Aber Sie ahnen ja nicht, wie schwer dieser Gebäudekomplex zu überwachen ist. Und auf den nächsten Knall zu warten, hat etwas Gespenstisches. Außerdem erwischen wir sie womöglich gar nicht, und dann passiert etwas Schreckliches.»
    «Richtig. Der zweite und meiner Ansicht nach bessere Vorschlag lautet, alles nur Menschenmögliche zu tun, um diese Verrückte einzuschüchtern und damit zum Stillhalten zu veranlassen, bis wir das hinter allem stehende Motiv herausbekommen haben. Ich bin sicher, daß es nicht nur blindwütige Bosheit ist. Es steckt Methode dann.»
    «Ist das Motiv nicht geradezu peinlich klar?»
    Er sah sie nachdenklich an und meinte dann:
    «Sie erinnern mich an einen reizenden alten Professor, der inzwischen tot ist. Sein spezielles Forschungsgebiet waren die Beziehungen des Vatikans zur englischen Hochkirche in einem Zeitraum, an den ich mich nicht mehr genau erinnere. Einmal wurde ein Thema aus diesem Bereich für das Geschichtsexamen ausgewählt, und alle Studenten, die dieses Thema wählten, wurden natürlich während der Vorbereitung an ihn verwiesen und hatten großen Nutzen davon. Aber es fiel auf, daß niemand von seinem eigenen College das Thema gewählt hatte – aus dem einfachen Grund, weil der Professor es in seiner aufrechten Gesinnung jedem seiner Studenten gewissenhaft ausredete, dieses Thema zu wählen, aus Angst, sie durch Zureden in ihrer Entscheidung zu beeinflussen.»
    «Wirklich ein reizender alter Herr. Der Vergleich schmeichelt mir, aber ich weiß nicht, worauf er hinausläuft.»
    «Nein? Ist es nicht so, daß Sie, nachdem Sie sich mehr oder weniger zur Ehelosigkeit entschlossen haben, nun eifrig das Kloster mit Gespenstern bevölkern? Wenn Sie ohne persönliche Bindungen leben wollen, tun Sie’s. Zwingen Sie sich nicht selbst welche auf, indem Sie sich einreden, sie zu brauchen, damit Sie kein Fall für den Psychiater werden.»
    «Wir sprechen nicht von mir und meinen Gefühlen. Wir sprechen von dieser häßlichen Geschichte im College.»
    «Aber Sie können da Ihre Gefühle gar nicht heraushalten. Die allgemeine Feststellung, daß Sexualität die Wurzel aller dieser Erscheinungen sei, bringt uns nicht viel weiter – sie nützt uns ungefähr soviel, als wenn Sie sagten, hinter allem stecke die menschliche Natur. Sexualität ist nichts, was für sich allein steht und aus sich selbst heraus funktioniert. Sie ist für gewöhnlich an irgendeine Person gebunden.»
    «Das ist doch ziemlich klar.»
    «Gut, sehen wir uns einmal an, was sonst noch klar ist. Das größte Verbrechen dieser vermaledeiten Psychologen ist, daß sie alles Klare verdunkelt haben. Die kommen mir vor wie einer, der seinen Koffer fürs Wochenende packt und seine sämtlichen Schubladen und Schränke ausleert, bis er seinen Pyjama und seine Zahnbürste nicht mehr finden

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