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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Schuster-Slatt sich für die Störung, besorgte die Vorstellungen, gab ihrer Überzeugung Ausdruck, daß sie furchtbar ungelegen kämen, erinnerte Lord Peter an ihre frühere Begegnung, gab zu, daß er zur Zeit viel zu angenehm beschäftigt sei, um sich mit ihr abzugeben, erging sich mit einem alarmierend begeisterten Wortschwall über die Fortpflanzung der Tüchtigen, wies erneut auf ihre Taktlosigkeit hin, belehrte Lord Peter, daß Harriet ein reizender Mensch und einfach zu sympathisch sei, und beehrte sie beide mit einem Vorabdruck ihres neuen Fragebogens. Wimsey hörte zu und antwortete mit unerschütterlicher Liebenswürdigkeit, während Harriet wünschte, die Isis möge über die Ufer treten und sie alle ersäufen, und ihn um seine Selbstbeherrschung beneidete. Als Miss Schuster-Slatt sich zu guter Letzt mit ihrem Gefolge entfernte, tönte von fern noch ihre schrille Stimme über das Wasser:
    «Also, Mädchen! Hab ich euch nicht gesagt, daß er der perfekte englische Aristokrat ist?»
    Und an diesem Punkt legte der schwer geprüfte Wimsey sich längelang zwischen die Teetassen und lachte hysterisch.
    «Peter», sagte Harriet, als er endlich aufhörte, wie ein Hahn zu krähen, «Ihre unbezwingbare Liebenswürdigkeit ist einfach beschämend. Ich verliere bei dieser harmlosen Irren die Nerven. Noch etwas Tee?»
    «Ich glaube», sagte Seine Lordschaft düster, «ich sollte jetzt lieber aufhören, der perfekte englische Aristokrat zu sein, und schleunigst wieder der große Detektiv werden. Das Schicksal scheint meine Eintagsromanze zum Klamaukstück machen zu wollen. Wenn das Ihr Dossier ist, geben Sie’s mir. Mal sehen», fügte er leise lachend hinzu, «was Sie für eine Detektivin abgeben, wenn Sie auf sich allein gestellt sind.»
    Harriet gab ihm ihr Notizbuch und einen Umschlag mit den diversen anonymen Schriftstücken, alle, soweit möglich, mit Datum und Art ihrer Veröffentlichung versehen. Er sah diese Dokumente zuerst durch, jedes für sich und sehr gewissenhaft, ohne sich Überraschung, Widerwillen oder überhaupt irgendeine Regung anmerken zu lassen, nur mit nachdenklichem Interesse. Dann steckte er sie alle in den Umschlag zurück, stopfte sich eine Pfeife, zündete sie an, machte sich’s zwischen den Kissen bequem und widmete seine Aufmerksamkeit nun ihren Aufzeichnungen. Er las sie langsam und blätterte dann und wann zurück, um ein Detail oder ein Datum zu prüfen. Nach den ersten paar Seiten sah er auf und meinte:
    «Eines muß man der Kriminalschriftstellerei zugute halten: Sie verstehen eine Geschichte aufzubauen und die Beweise auszuwerten.»
    «Danke», sagte Harriet trocken. «Lob von Sir Hubert ist Lob fürwahr.»
    Er las weiter.
    Seine nächste Zwischenbemerkung lautete:
    «Ich sehe, Sie haben das im Hausmädchenflügel untergebrachte Personal auf Grund einer einzigen abgeschlossenen Tür eliminiert.»
    «So einfältig bin ich nun auch wieder nicht. Wenn Sie an den Zwischenfall in der Kapelle kommen, werden Sie sehen, daß die Hausmädchen aus einem anderen Grunde alle nicht in Frage kommen.»
    «Verzeihung, ich habe den verhängnisvollen Fehler begangen, mit einer Theorie meinem Wissensstand vorauszueilen.»
    Nachdem er so den Tadel eingesteckt hatte, verfiel er wieder in Schweigen, während sie sein halb abgewandtes Gesicht musterte. Im Ganzen betrachtet, als Fassade sozusagen, war es ihr inzwischen einigermaßen vertraut, aber jetzt nahm sie auch Einzelheiten wahr, verdeutlicht wie durch ein Vergrößerungsglas in ihrem Geist. Die flach anliegende, schön geformte Ohrmuschel und die hohe Schädelwölbung darüber. Die schimmernden kurzen Härchen, wo die Nackenmuskeln zum Kopf emporwuchsen. Eine kleine, sichelförmige Narbe an der linken Schläfe. Die feinen Lachfältchen im Augenwinkel und das an der Außenseite heruntergezogene Lid. Der goldglänzende Schimmer bis auf den Wangenknochen hinunter. Den weit geblähten Nasenflügel. Die fast unsichtbaren Schweißtröpfchen über der Oberlippe und einen winzigen Muskel, der seinen sensiblen Mundwinkel zucken ließ. Die leicht von der Sonne gerötete helle Haut und ihre plötzliche Weiße unterhalb des Halsansatzes. Die kleine Vertiefung über dem Schlüsselbein.
    Er sah auf; und prompt wurde sie knallrot, als hätte man sie in siedendes Wasser getaucht. Durch den dunklen Schleier vor ihren Augen und das Pochen in ihren Ohren schien sich etwas Riesengroßes über sie zu beugen. Dann lichtete sich der Nebel. Sein Blick war wieder auf die

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