Aufruhr in Oxford
Peter, ich habe Ihnen ein Problem zu unterbreiten; aber bevor ich das tue, halte ich es für richtig, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß ich mich mit Mr. Jones vom Jesus College verlobt habe.› Etwa nicht?»
«Wahrscheinlich. Hätten Sie sich dann trotzdem um das Problem gekümmert?»
«Warum nicht? Ein Problem ist ein Problem. Wie ist der Untergrund im Alten Fluß?»
«Widerlich. Für jeden Schlag vorwärts werden Sie zwei Schläge zurückgezogen.»
«Dann halten wir uns an den Neuen Kanal. Also, Mr. Jones vom Jesus College hat mein aufrichtiges Mitgefühl. Hoffentlich wirkt sich sein Kummer nicht auf sein Studium aus.»
«Er ist erst im zweiten Jahr.»
«Dann hat er noch Zeit, darüber hinwegzukommen. Ich würde ihn gern mal kennenlernen. Wahrscheinlich ist er der beste Freund, den ich auf der Welt habe.»
Harriet sagte nichts. Peters Intelligenz überrundete ihren langsamer arbeitenden Verstand stets mit Leichtigkeit. Es stimmte vollkommen, daß Reggie Pomfrets spontane Schwärmerei es ihr irgendwie leichter gemacht hatte, zu glauben, daß Peters Gefühle für sie vielleicht doch mehr waren als die Liebe des Künstlers zu seinem Werk. Aber es war ungehörig von ihm, diesen Schluß so schnell zu ziehen. Sie nahm ihm übel, wie er in ihrer Seele aus- und einging, als wäre sie seine eigene Wohnung.
«Großer Gott!» sagte Peter plötzlich. Er sah erschrocken in das dunkelgrüne Wasser. Eine Schliere öliger Blasen stieg langsam an die Oberfläche, wo seine Stake in ein Schlammloch geraten war; zugleich attackierte widerlicher Verwesungsgestank ihre Nasen.
«Was ist los?»
«Ich habe in etwas Schreckliches hineingestochen. Riechen Sie das nicht? Es ist ein Skandal, wie mich die Leichen überall verfolgen. Ehrlich, Harriet …»
«Sie dummer Kerl, hier ist doch nur die städtische Müllkippe.»
Sein Blick folgte ihrem Zeigefinger zum andern Ufer, wo eine Wolke von Fliegen über einem fauligen, stinkenden Hügel stand.
«Also, bei allen –! Zum Teufel, was denken die sich nur dabei?»
Er fuhr sich mit nasser Hand über die Stirn. «Jetzt hatte ich im ersten Moment wirklich geglaubt, ich wäre auf Mr. Jones vom Jesus College gestoßen. Es wollte mir sogar schon leid tun, daß ich so leichtfertig über den armen Kerl gesprochen hatte. Los! Nichts wie weg hier!»
Er trieb den Puntkahn mit kräftigen Stößen voran.
«Besser zur Isis. Auf diesem Fluß gibt es keine Romantik mehr.»
15. Kapitel
Bedenke nur, welch trefflich Ding Schlaf ist: Er ist ein so kostbares Juwel, daß ein Tyrann, selbst wenn er seine Krone dafür gäbe, ihn nicht kaufen könnte; von so schöner Gestalt ist er, daß ein Mann bei einer Kaiserin liegen und doch sein Herz nicht ruhig schlagen könnte, bis er nicht ihre Umarmung verläßt, um in der seinen zu ruhen; ja, so tief stehen wir bei diesem Vetter des Todes in der Schuld, daß wir den bessern Teil, die Hälfte unseres Lebens, ihm verdanken; und ihm zu danken, haben wir guten Gund: ist doch der Schlaf die goldene Kette, die unsre Gesundheit an unsern Körper bindet. Wer klagt über Not, Wunden, Sorgen, großer Männer Bedrängnis, Gefangenschaft, dieweil er schläft? Bettler in ihren Betten haben denselben Genuß davon wie Könige; können wir also von dieser köstlichen Ambrosia uns übersättigen? Können wir zuviel trinken, wovon zuwenig zu kosten uns auf den Kirchhof bringt und wovon uns gleichgültig zu bedienen uns ins Tollhaus stürzt? Nein, seht auf Endymion, der Mondgöttin Geliebten, der fünfundsiebzig Jahre schlief und um kein Haar schlechter sich darum fühlt!
THOMAS DEKKER
«Den Picknickkorb», sagte Wimsey, «finden Sie hinter sich im Bug.»
Sie hatten etwas flußabwärts im Schatten einer überhängenden Weide am Ufer der Isis festgemacht. Hier waren nicht so viele Leute, und die da waren, konnten in angemessener Entfernung passieren. Wenn es irgendwo halbwegs Ruhe gab, dann hier. Es ärgerte Harriet darum erst recht, als sie, die Thermosflasche in der Hand, einen schwerbeladenen Puntkahn näherkommen sah.
«Miss Schuster-Slatt und ihre Herde! Großer Gott – und sie behauptet auch noch, Sie zu kennen.»
Die Staken wurden an beiden Enden des Kahns kräftig gestoßen; an Flucht war nicht zu denken. Unabwendbar kam die amerikanische Reisegesellschaft näher. Jetzt war sie längsseits. Miss Schuster-Slatt stieß einen erregten Schrei aus. Es war an Harriet, für ihre Freundinnen zu erröten. Mit unglaublicher Affektiertheit entschuldigte Miss
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