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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Geschichte so fade vor?»
    «Wenn Sie mich fragen», sagte Wimsey, «liegt’s an Wilfrid. Ich weiß, daß er das Mädchen heiraten will – aber muß er deswegen so ein Schafskopf sein? Warum nimmt er Beweisstücke an sich und erzählt alle diese unnötigen Lügen?»
    «Weil er glaubt, das Mädchen war es.»
    «Ja – aber warum glaubt er das? Er ist unsterblich in sie verliebt – für ihn ist sie das höchste der Gefühle –, und nur weil er ihr Taschentuch im Schlafzimmer findet, ist er auf Grund von Beweisen, für die man nicht einmal einen Hund hängen würde, augenblicklich überzeugt, daß sie nicht nur Winchesters Geliebte war, sondern ihn auch noch auf besonders teuflische Weise umgebracht hat. Das mag ja auch eine Art Liebe sein, aber –»
    «Sie wollen sagen, daß es nicht die Ihre ist – und es ist ja wirklich nicht die Ihre.»
    Da war er wieder – der alte Groll und dieser Drang, wütend zurückzuschlagen, nur um ihn zucken zu sehen.
    «Nein», sagte er, «ich habe mir die Frage ganz unpersönlich gestellt.»
    «Rein akademisch.»
    «Ja – bitte … Allein vom Aufbau her gesehen, finde ich, daß Wilfrids Verhalten nicht hinreichend erklärt ist.»
    «Nun ja», sagte Harriet, nachdem sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, «rein akademisch betrachtet, muß ich zugeben, daß Wilfrid der größte Trottel der Welt ist. Aber wo bleibt meine Geschichte, wenn er das Taschentuch nicht versteckt?»
    «Könnten Sie Wilfrid nicht zu so einem krankhaft gewissenhaften Menschen machen, der dazu erzogen worden ist, alles Schöne für unrecht zu halten – daß er also, nur weil er das Mädchen unbedingt als menschgewordenen Engel sehen will, aus ebendiesem Grunde an ihre Schuld glauben muß? Geben Sie ihm doch einen puritanischen Vater und einen festen Höllenglauben.»
    «Peter, das ist eine Idee!»
    «Sehen Sie, er lebt in der finsteren Überzeugung, daß Liebe an sich sündig ist und er sich nur läutern kann, indem er die Sünden dieser Frau auf sich nimmt und stellvertretend für sie leidet … Ein Tropf wäre er darum immer noch, sogar ein pathologischer Tropf, aber er wäre nicht ganz so widersprüchlich in sich.»
    «Ja – er wäre sogar interessant. Aber wenn ich Wilfrid mit all diesen starken und lebensechten Gefühlen ausstatte, wirft er mir das ganze Buch aus dem Gleichgewicht.»
    «Dann müßten Sie einmal, statt Puzzlespiele zu ersinnen, ein Buch über richtige Menschen schreiben.»
    «Davor habe ich Angst, Peter. Das könnte zu dicht an den Nerv gehen.»
    «Vielleicht wäre es aber das Klügste, was Sie tun könnten.»
    «Es mir von der Seele schreiben, damit ich es los bin?»
    «Ja.»
    «Ich werd’s mir überlegen. Es würde wohl teuflisch weh tun.»
    «Was macht das, wenn ein gutes Buch daraus wird?»
    Sie war bestürzt – nicht über das, was er gesagt hatte, sondern darüber, daß er es gesagt hatte. Sie hatte nie geglaubt, daß er ihre Arbeit sehr ernst nähme, und ganz gewiß hatte sie nicht damit gerechnet, daß er in diesem Punkt eine so kompromißlose Haltung einnehmen könnte. Männlicher Beschützerinstinkt? Im Augenblick bot er allerdings etwa soviel Schutz wie ein Dosenöffner.
    «Sie haben», fuhr er fort, «das Buch noch nicht geschrieben, das Sie schreiben könnten, wenn Sie es nur versuchten. Wahrscheinlich konnten Sie es bisher nicht schreiben, weil Sie noch nicht genug Abstand davon hatten. Aber Sie könnten es jetzt, wenn Sie – wenn Sie nur –»
    «Wenn ich nur den Mut dazu hätte?»
    «Genau.»
    «Ich glaube nicht, daß ich mich dem stellen könnte.»
    «Doch, Sie könnten. Und Sie werden keine Ruhe finden, bis Sie es getan haben. Ich bin zwanzig Jahre lang vor mir selbst davongelaufen, und es hat mir nichts genützt. Wozu sollen die Fehler, die man macht, denn gut sein, wenn man nichts damit anfängt? Versuchen Sie’s mal. Knöpfen Sie sich Wilfrid vor.»
    «Zum Kuckuck mit Wilfrid! … Na schön, ich werd’s versuchen. Jedenfalls werde ich aus Wilfrid die Sägespäne herausklopfen.»
    Er nahm die rechte Hand vom Paddel und hielt sie ihr abbittend hin.
    «‹Und immer las er jemandem mit unnachahmlicher Frechheit die Leviten.› Entschuldigung.»
    Sie akzeptierte die Hand und die Entschuldigung, und danach paddelten sie einträchtig weiter. Aber sie fand, daß sie in Wahrheit noch viel mehr hatte akzeptieren müssen. Und sie war ziemlich überrascht, daß sie ihm nichts davon übel nahm.
    Sie verabschiedeten sich am Nebeneingang.
    «Gute Nacht, Harriet. Ihre

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