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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Mann?»
    «Flaxmans Verlobter vermutlich, oder nicht?»
    «Ein schöner junger Mann?» fragte Miss Pyke. «Den möchte ich sehen.» Sie kam ans Fenster.
    «Reden Sie nicht solchen Unsinn», sagte die Dekanin. «Flaxmans Byron kenne ich in- und auswendig. Der hier ist aschblond und trägt die Jacke des Christ Church.»
    «Das darf nicht wahr sein!» meinte Miss Pyke. «Apollo vom Belvedere, in tadellosen Flanellhosen. Scheint unbeweibt zu sein. Erstaunlich!»
    Harriet stellte ihre Tasse hin und rappelte sich aus den Tiefen des großen Sessels hoch.
    «Vielleicht gehört er zu dieser Tennisbande», wagte Miss Allison eine Vermutung.
    «Zu den schlampigen Freunden der kleinen Cooke? Hören Sie mal!»
    «Wozu die ganze Aufregung?» fragte Miss Hillyard.
    «Schöne junge Männer sind immer aufregend», antwortete die Dekanin.
    «Das da», sagte Harriet, nachdem sie endlich über Miss Pykes Schulter hinweg einen Blick auf den Wunderjüngling hatte tun können, «ist Vicomte Saint-George.»
    «Noch einer von Ihren adeligen Freunden?» fragte Miss Barton.
    «Sein Neffe», antwortete Harriet nicht ganz logisch.
    «Oh!» sagte Miss Barton. «Und da müssen Sie ihn alle angaffen wie eine Klasse Schulmädchen.»
    Sie ging an den Tisch, schnitt sich ein Stück Kuchen ab und schaute uninteressiert aus dem andern Fenster.
    Lord Saint-George stand lässig, als gehörte ihm das alles, an der Ecke des Bibliotheksflügels und sah einem Tennismatch zwischen zwei rückenfreien Studentinnen und zwei jungen Männern zu, denen dauernd die Hemden aus den Hosen rutschten. Als ihm das zu langweilig wurde, schlenderte er an den Fenstern vorbei auf den Queen-Elizabeth-Bau zu und ließ dabei den Blick über eine Gruppe von Shrewsburyanerinnen schweifen, die unter den Buchen lagerten; er tat dies wie ein Sultan, der eine nicht sehr verheißungsvolle Sendung zirkassischer Sklavinnen begutachtet.
    «Eingebildeter kleiner Affe!» dachte Harriet und fragte sich zugleich, ob er wohl ihretwegen gekommen war. Wenn, dann mochte er warten oder gefälligst an der Pforte fragen, wie sich’s gehörte.
    «Aha!» meinte die Dekanin. «So kommt die Milch in die Kokosnuß.»
    Aus der Tür des Bibliotheksflügels kam langsam Miss de Vine geschritten, gefolgt von Lord Peter Wimsey in gesetzter, ehrerbietiger Haltung. Sie gingen in ernstem Gespräch um den Tennisplatz herum. Lord Saint-George, der sie von weitem sah, schlenderte ihnen entgegen. Sie trafen sich, blieben kurz stehen und unterhielten sich. Dann gingen sie weiter in Richtung Pforte.
    «Mein Gott!» rief die Dekanin. «Paris und Hektor entführen Helena de Vine.»
    «Falsch», sagte Miss Pyke. «Paris war Hektors Bruder, nicht sein Neffe. Ich glaube nicht einmal, daß er einen Onkel hatte.»
    «Apropos Onkel», sagte die Dekanin, «stimmt es eigentlich, Miss Hillyard, daß Richard III. – oh, ich dachte, sie wäre hier!»
    «Sie war hier», sagte Harriet.
    «Helena wird uns zurückgegeben», sagte die Dekanin. «Die Belagerung Trojas wird aufgeschoben.»
    Das Trio kam zurück. Auf halbem Wege verabschiedete Miss de Vine sich von den beiden Männern und ging in Richtung ihres Zimmers.
    In diesem Augenblick versteinerten die Zuschauer im Gemeinschaftsraum, denn sie wurden Zeugen eines Wunders. Miss Hillyard erschien neben der Treppe zum Speisesaal, näherte sich Onkel und Neffen, sprach sie an, eiste Lord Peter elegant von seinem Begleiter los und schleppte ihn energisch in Richtung des Neuen Hofes ab.
    «Halleluja!» rief die Dekanin. «Sollten Sie nicht lieber Ihrem jungen Freund beistehen? Man hat ihn schon wieder verlassen.»
    «Sie könnten ihm eine Tasse Tee anbieten», schlug Miss Pyke vor. «Das wäre mal eine willkommene Abwechslung für uns.»
    «Ich muß mich über Sie wundern, Miss Pyke», sagte Miss Barton. «Vor Frauen wie Ihnen ist doch kein Mann sicher.»
    «Nanu, wo habe ich denn das schon mal gehört?» fragte die Dekanin.
    «Es stand in einem der Schmähbriefe», sagte Harriet.
    «Wollen Sie damit sagen –» begann Miss Barton.
    «Ich will nur sagen», erwiderte die Dekanin, «daß der Satz ein bißchen abgedroschen ist.»
    «Ich wollte nur einen Scherz machen», versetzte Miss Barton böse. «Aber manche Leute haben ja keinen Humor.»
    Sie ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Lord Saint-George war zurückgeschlendert und setzte sich in die Loggia vor der Bibliothek. Er stand höflich auf, als Miss Barton auf dem Wege zu ihrem Zimmer an ihm vorbeiging, und sagte etwas,

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