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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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diesem Namen rufen. Da sitzt Miss de Vine und arbeitet noch, wie ich sehe.»
    Diesmal waren die Vorhänge am Fenster der Professorin zurückgezogen, und sie sahen ihren dunklen, unordentlichen Kopf über ein Buch gebeugt.
    «Sie interessiert mich sehr», sagte Peter.
    «Ich mag sie.»
    «Ich auch.»
    «Aber ich fürchte, es sind ihre Haarnadeln.»
    «Ich weiß es», sagte er. Er zog die Hand aus der Tasche und streckte sie ihr hin. Sie waren dicht beim Tudor-Bau, und das Licht aus einem nahen Fenster fiel auf eine traurige, verbogene Haarnadel auf seinem Handteller. «Die hat sie nach dem Essen auf dem Podium verloren. Sie haben gesehen, wie ich sie aufgehoben habe.»
    «Ich habe Sie nur Miss Shaws Schal aufheben sehen.»
    «Stets der Kavalier. Darf ich mit Ihnen raufkommen, oder ist das gegen die Vorschrift?»
    «Sie dürfen.»
    Einige Studentinnen huschten im Morgenrock über die Gänge. und sahen Peter mehr neugierig als verärgert an. In Harriets Zimmer fanden sie ihren Talar und das Päckchen mit den Aufzeichnungen auf dem Tisch vor. Peter nahm das Päckchen und kontrollierte Papier, Schnur und das Siegel, das die geduckte Katze und das arrogante Wimsey-Motto trug.
    «Wenn das geöffnet wurde, esse ich einen Teller heißen Siegellack.»
    Er trat ans Fenster und sah auf den Hof hinunter.
    «Kein schlechter Ausguck – auf seine Art. Danke. Das war alles, was ich sehen wollte.»
    Er verriet keine weitere Neugier, sondern nahm den Talar, den sie ihm reichte, und folgte ihr wieder die Treppe hinunter.
    Sie waren halb über den Hof, als er plötzlich sagte:
    «Harriet. Schätzen Sie wirklich Ehrlichkeit vor allen anderen Dingen?»
    «Ich glaube, ja. Hoffentlich. Warum?»
    «Wenn nicht, bin ich nämlich der größte Trottel des Abendlandes. Ich säge emsig an dem Ast, auf dem ich sitze. Wenn ich ehrlich bin, werde ich Sie wahrscheinlich ganz verlieren. Wenn ich es nicht bin –»
    Seine Stimme klang sonderbar rauh, als versuchte er etwas darin zu unterdrücken; nicht körperlichen Schmerz, fand sie, auch keine Leidenschaft, sondern etwas Tiefergehendes.
    «Wenn Sie es nicht sind, werde ich Sie verlieren, weil Sie dann nicht mehr derselbe Mensch wären, ja?»
    «Ich weiß es nicht. Ich stehe im Ruf frivoler Unaufrichtigkeit. Halten Sie mich für ehrlich?»
    «Ich weiß, daß Sie es sind. Ich könnte mir nicht vorstellen, daß Sie etwas anderes wären.»
    «Und doch versuche ich mich in ebendiesem Augenblick gegen die Folgen meiner Ehrlichkeit abzusichern. ‹Ich habe es versucht, ob ich nicht zu dem großen Entschluß gelangen könnte, ehrlich zu sein, ohne einen Gedanken an Himmel oder Hölle.› Aber wie es aussieht, erwartet mich so oder so die Hölle, also brauche ich mich mit dem Entschluß nicht weiter abzumühen. Ich glaube, Sie meinen, was Sie sagen – und ich hoffe, ich würde dasselbe tun, selbst wenn ich kein Wort davon glaubte.»
    «Peter, ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.»
    «Um so besser. Vergessen Sie es. Ich werde mich nicht noch einmal so benehmen. ‹Der Herzog trank einen Eimer Whisky mit Soda und wurde wieder der vollkommene englische Gentleman.› Geben Sie mir die Hand.»
    Sie gab sie ihm, und er hielt sie einen Moment fest umfaßt und zog sie dann unter seinen Arm. So kamen sie Arm in Arm und schweigend in den Neuen Hof. Als sie durch den Torbogen am Fuß der Treppe zum Speisesaal gingen, glaubte Harriet in der Dunkelheit eine Bewegung zu hören und den matten Schimmer eines sie beobachtenden Gesichts zu sehen; aber bevor sie Peter darauf aufmerksam machen konnte, war nichts mehr zu sehen und zu hören.
    Padgett schloß ihnen das Tor auf; Wimsey trat gedankenverloren über die Schwelle hinaus und wünschte ihm achtlos gute Nacht.
    «Gute Nacht, Major Wimsey!»
    «Hallo!» Peter zog den Fuß zurück, der schon auf der St. Cross Road war, und sah dem lächelnden Pförtner aufmerksam ins Gesicht.
    «Mein Gott, ja! Moment. Sagen Sie’s mir nicht. Caudry 1918 – ich hab’s! Sie sind Padgett. Korporal Padgett.»
    «Ganz recht, Sir.»
    «So, so, so. Das freut mich aber, Sie wiederzusehen. Und gut sehen Sie aus. Wie geht’s Ihnen?»
    «Gut, danke, Sir.» Padgetts große, haarige Hand schloß sich warm um Wimseys schlanke Finger. «Ich hab schon zu meiner Frau gesagt, als ich hörte, daß Sie hier sind: ‹Ich wette um alles, was du willst›, sag ich, ‹daß der Major mich nicht vergessen hat.›»
    «Himmel, nein! Aber daß ich Sie hier treffe! Als ich Sie das letzte Mal sah, wurde ich

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