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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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dem Gleichgewicht zu bringen, so daß nur eine geschickte Drehung, die an die Bewegung eines Aals an der Angel erinnerte, ihn vor einem Sturz bewahrte.
    «Wir machen jetzt lieber Schluß», meinte Peter, nachdem er ihr nacheinander beigebracht hatte, wie man Angriffe von vorn und von hinten abwehrte und auch mit einem raffinierteren Mörder fertig wurde, der mit einem Seidenschal zu Werke ging.
    «Sie werden sich morgen fühlen, als ob Sie Rugby gespielt hätten.»
    «Ich glaube, ich werde kaum noch reden können.»
    «Das tut mir leid. Habe ich mich von meiner tierischen Natur fortreißen lassen? Das ist das Schlimmste an diesen rauhen Sportarten.»
    «Wenn es ernst wäre, würde es wohl noch um einiges rauher zugehen. Ich muß sagen, daß ich Ihnen nachts nicht gern in einer dunklen Straße begegnen möchte. Hoffentlich hat unsere Giftspritze diesen Sport nicht studiert. Peter, glauben Sie ernsthaft –?»
    «Ich meide ernsthaftes Denken wie die Pest. Aber ich kann Ihnen versichern, daß ich Sie nicht zum Spaß so herumgeschmissen habe.»
    «Ich glaub’s Ihnen. Kein Herr könnte eine Dame leidenschaftsloser erwürgen.»
    «Danke für das Zeugnis. Zigarette?»
    Harriet nahm die Zigarette, die sie verdient zu haben meinte, und saß, die Hände um die Knie geschlungen, und verarbeitete im Geiste die Ereignisse der letzten Stunde zu einer Szene in ihrem Buch (was bei Schriftstellern eine unschöne Angewohnheit ist). Sie malte sich aus, wie man mit ein wenig Vulgarität auf beiden Seiten eine hübsche Portion Exhibitionismus auf seiten des Mannes und Herausforderung auf Seiten der Frau darin einbauen könnte. Ein paar kleine Manipulationen, und man konnte das in dem Kapitel unterbringen, in dem dieser schmierige Everard die schöne, aber von ihrem Mann vernachlässigte Sheila verführen sollte. Er könnte sie mit unlösbarem Griff an sich pressen, Brust an Brust und Knie an Knie, und herausfordernd in ihr gerötetes Gesicht grinsen; und Sheila könnte ganz erschlaffen, woraufhin Everard sie leidenschaftlich küssen oder sagen würde: «Mein Gott! Führe mich nicht in Versuchung!» was letzten Endes auf das gleiche hinauslief. Würde ganz gut zu diesen billigen Typen passen, dachte Harriet und fuhr sich prüfend mit dem Finger über den Hals, wo ein unbarmherziger Daumen sein Andenken hinterlassen hatte.
    «Keine Sorge», sagte Peter. «Das geht wieder weg.»
    «Haben Sie vor, auch Miss de Vine Unterricht in Selbstverteidigung zu geben?»
    «Sie macht mir ziemlichen Kummer. Hat sie nicht ein schwaches Herz?»
    «So heißt es, ja. Jedenfalls wollte sie nicht mit auf den Magdalen-Turm steigen.»
    «Und sie würde wahrscheinlich auch nicht im College herumrennen und Sicherungen stehlen und durch Fenster klettern. Dann wären die Haarnadeln eine bewußte Irreführung. Womit wir wieder auf die Robinson-Theorie zurückkämen. Aber man kann ein schwaches Herz natürlich leicht vortäuschen. Haben Sie schon einmal einen Herzanfall bei ihr erlebt?»
    «Wenn Sie so direkt fragen, nein.»
    «Sehen Sie», sagte Peter, «sie hat mich nämlich auf diesen Robinson gebracht. Ich habe ihr Gelegenheit gegeben, eine Geschichte zu erzählen, und sie hat sie erzählt. Am nächsten Tag bin ich zu ihr hingegangen und habe sie nach dem Namen gefragt. Sie hat sich zwar sehr geziert, ihn mir dann aber doch genannt. Man kann leicht einen Verdacht auf Leute lenken, die etwas gegen einen haben; dazu braucht man nicht einmal zu lügen. Wenn ich Sie glauben machen wollte, daß jemand es auf mich abgesehen hätte, könnte ich Ihnen eine Liste von Feinden geben, die so lang ist wie mein Arm.»
    «Das glaube ich gern. Hat man Sie schon einmal umzubringen versucht?»
    «Noch nicht sehr oft. Hin und wieder bekomme ich dumme Sachen mit der Post geschickt. Rasiercreme voller häßlicher Bazillen und dergleichen. Und einmal bekam ich von einem Herrn eine Pille angeboten, die Müdigkeit und Schwachsinn heilen sollte. Ich habe eine lange Korrespondenz mit ihm geführt, alles in neutralen Umschlägen. Das Schönste an seinem System war, daß er einen für das Zeug bezahlen ließ, was ich immer noch für eine sehr gelungene Idee halte. Er hat mich völlig damit um den Finger gewickelt; seine einzige kleine Fehlkalkulation war, daß ich die Pille wirklich haben wollte – und das kann ich ihm nicht einmal verdenken, denn die Liste der Symptome, die ich ihm aufgetischt habe, hätte jeden zu dem Schluß verführt, ich brauchte eine ganze Apotheke für mich allein.

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