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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Geschenke immer persönlich überbracht und nie durch das Geschäft zugestellt werden sollen.
    Der Händler verschwand nach oben, um eine geeignete Kiste zu suchen, und Peter wandte sich abbittend an Harriet:
    «Entschuldigen Sie, daß ich so lange dafür gebraucht habe. Aber Sie haben besser gewählt, als Sie ahnen konnten. Ich bin kein Experte, aber ich müßte mich schon sehr täuschen, wenn das nicht ein sehr schönes, altes Schachspiel wäre – und einiges mehr wert, als er dafür haben will. Darum habe ich so lange gefeilscht. Wenn etwas nach einem Gelegenheitskauf aussieht, ist meist irgendwo ein Haken daran. Wenn auch nur einer der armseligen Bauern nicht original wäre, würde der ganze Satz dadurch wertlos.»
    «Wahrscheinlich.» Ein beunruhigender Gedanke schoß Harriet durch den Kopf. «Wenn der Satz nun nicht einwandfrei gewesen wäre, hätten Sie ihn dann gekauft?»
    «Um keinen Preis.»
    «Auch nicht, wenn ich ihn trotzdem hätte haben wollen?»
    «Nein. Das ist der Haken an mir. Außerdem hätten Sie das nicht gewollt. Sie sind eine Gelehrtennatur und würden sich mit dem Wissen, daß etwas unecht wäre, immer unwohl fühlen, auch wenn es sonst niemand wüßte.»
    «Das stimmt. Ich würde mich jedesmal, wenn einer die Figuren bewunderte, genötigt sehen, zu sagen: ‹Ja, aber einer der Bauern ist eine Nachbildung› – und das wäre auf die Dauer so lästig geworden. Nun ja, jedenfalls freue ich mich, daß sie in Ordnung sind, denn ich hänge mit einer geradezu idiotischen Liebe daran. Sie haben mich wochenlang nachts im Traum verfolgt. Und selbst jetzt habe ich mich noch nicht einmal bedankt.»
    «Doch, das haben Sie – außerdem ist das Vergnügen ganz auf meiner Seite … Ob dieses Spinett dort bespielbar ist?»
    Er schlängelte sich durch den dunklen hinteren Teil des Ladens, wobei er ein Spinnrad, einen georgianischen Weinkühler, eine Messinglampe und einen kleinen Wald birmesischer Götzen aus dem Weg räumen mußte, die zwischen ihm und dem Instrument standen. «Variationen über eine Spieldose», sagte er, während er die Finger über die Tasten gleiten ließ; dann zog er sich aus dem herumstehenden Gerümpel einen Hocker heran, setzte sich und spielte zuerst ein Menuett aus einer Suite von Bach, dann eine Gigue, und leitete schließlich in die Melodie eines klassischen alten Volksliedes über.
     
    Du tust mir, Liebste mein, so weh,
Wenn du so hart mich von dir stößt;
Bin glücklich nur, wenn ich dich seh,
Und du mich bei dir weilen läßt.
     
    Er soll sehen, daß ich ihm das nicht krummnehme, dachte Harriet und fiel fröhlich in den Refrain ein:
     
    Grünjäckchen du, warst all meine Wonne,
Günjäckchen du, warst all meine Freud –
     
    Er hörte augenblicklich auf zu spielen.
    «Falsche Tonlage für Sie. Gott hat Sie als Alt geschaffen.» Er transponierte die Melodie in plätschernden Modulationen nach e-moll. «Sie haben mir nie gesagt, daß Sie singen können … Nein, daß Sie nicht ausgebildet sind, höre ich … Chorsängerin? Bach-Chor? … natürlich – hätte ich mir denken können … ‹Grünjäckchen du, warst all mein Glück, und mein Grünjäckchen du …› …
    Kennen Sie die Kanzonetten für zwei Singstimmen von Morley? … Dann los: ‹Und als im Morgengrauen› … Welche Stimme Sie wollen – sie sind genau gleich … ‹die Liebste mein sich schmückt› … G, meine Liebe, nicht Gis …»
    Der Antiquitätenhändler, der mit den Armen voll Packmaterial wieder herunterkam, beachtete sie nicht. Schrullige Kundschaft war ihm nichts Neues; und außerdem hoffte er womöglich, ihnen auch noch das Spinett zu verkaufen.
    «Das», sagte Peter, nachdem Tenor und Alt sich zur letzten freundschaftlichen Kadenz umeinandergewunden hatten, «ist das wahre A und O der Musik. Harmonie kann haben, wer will, wenn er uns nur den Kontrapunkt läßt. Was nun? … ‹Geh zu Bette, süße Muse›? Na, na! Ist’s wahr, ist’s nett, ist’s nötig? … ‹Liebe ist Traum, Liebe ist Wahn› … Schön, dafür bin ich Ihnen etwas schuldig», sagte er, und mit boshaftem Blick spielte er die einleitenden Akkorde von «Süßer Amor, stärke ihr Verlangen.»
    «Nein», sagte Harriet errötend.
    «Nein, das war wirklich nicht sehr geschmackvoll. Neuer Versuch.»
    Er zögerte, modulierte von einer Tonart in die andere und mündete schließlich in das bekannteste aller elisabethanischen Liebeslieder ein:
     
    Froh würd ich ändern diesen Ton,
Zu dem mich süße Lieb berückt

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