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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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war ihr Kopf völlig leer. Worum sie ihn auch bat, es mußte etwas sein, was ihm angemessen war. Etwas Triviales, Gewöhnliches oder auch nur Teures wäre gleichermaßen kränkend gewesen. Er hätte auf der Stelle gewußt, daß sie den Wunsch nur erfand, um ihm gefällig zu sein …
    «Peter – schenken Sie mir die elfenbeinernen Schachfiguren!»
    Sie sah an seinem hocherfreuten Gesicht, daß er schon damit gerechnet hatte, mit einer Kleinigkeit für siebeneinhalb Shilling abgespeist zu werden.
    «Meine liebe Harriet – natürlich! Wollen Sie sie gleich haben?»
    «Auf der Stelle! Sonst schnappt sie uns noch irgendein elender Student weg. Jeden Tag, wenn ich hingehe, rechne ich schon damit, daß sie fort sind. Fahren Sie schnell!»
    «Gut. Ich verspreche, auf dem ganzen Weg nie langsamer als siebzig Meilen zu fahren, außer in Ortschaften.»
    «O Gott!» sagte Harriet, als der Wagen losfuhr. Sie hatte Angst vor schnellem Fahren, und das wußte er genau. Nach fünf atemberaubenden Meilen warf er ihr einen Blick von der Seite zu, um zu sehen, wie sie es verkraftete, dann nahm er den Fuß ein wenig vom Gaspedal.
    «Das war nur mein Triumphgesang. Waren es schlimme vier Minuten?»
    «Ich habe ja darum gebeten», sagte Harriet mit zusammengebissenen Zähnen. «Fahren Sie nur weiter so.»
    «Ich werde mich hüten. Wir fahren jetzt in vernünftigem Tempo und riskieren den vermaledeiten Studenten, hol ihn der Geier!»
    Die Schachfiguren standen aber noch im Fenster, als sie ankamen. Peter unterzog sie einer eingehenden Monokelprüfung und meinte dann:
    «Sie scheinen in Ordnung zu sein.»
    «Sie sind wunderschön. Geben Sie zu, wenn ich etwas mache, mache ich’s richtig. Ich habe Sie jetzt um zweiunddreißig Geschenke auf einmal gebeten.»
    «Das erinnert mich an Alice hinter den Spiegeln. Kommen Sie mit hinein, oder lassen Sie mich den Kampf allein ausfechten?»
    «Natürlich komme ich mit. Warum? -Ach so, sehe ich allzu erpicht darauf aus?»
    «Allerdings.»
    «Hm – aber egal. Ich komme mit.»
    Der Laden war schummrig und vollgestopft mit einem wunderlichen Sammelsurium von Kostbarkeiten, Kitsch und Ködern für Unkundige. Der Besitzer aber hatte alle seine Sinne beieinander, und als er nach den ersten einleitenden Superlativen merkte, daß er es mit einem hartgesottenen, erfahrenen und gut informierten Kunden zu tun hatte, richtete er sich begeistert auf eine lange Belagerung der Festung ein. Es wäre Harriet früher nie in den Sinn gekommen, daß jemand eine Stunde und vierzig Minuten brauchen könnte, um einen Satz Schachfiguren zu kaufen. Jedes einzelne gedrechselte Kügelchen in jeder einzelnen der zweiunddreißig Figuren wurde eingehend mit Fingerspitzen, bloßem Auge und einer Uhrmacherlupe nach Beschädigungen, Ausbesserungen, Mogeleien oder Herstellungsfehlern untersucht; und erst nach einem scharfen Kreuzverhör über die «Provenienz» der Figuren und einer langen Diskussion über die Handelsbedingungen in China, die Situation des Antiquitätenmarktes im allgemeinen und die Folgen des amerikanischen Preisdrucks wurde erstmals überhaupt eine Zahl genannt; und kaum war sie genannt, wurde sie sofort in Zweifel gezogen, und es folgte eine weitere Diskussion, in deren Verlauf sämtliche Figuren erneut geprüft werden mußten. Dies endete schließlich damit, daß Peter den genannten Preis akzeptierte (der weit über der von ihm genannten Mindestgrenze, aber noch unterhalb der Höchstgrenze lag), sofern das Brett mit eingeschlossen war. Die ungewöhnliche Größe der Figuren erforderte ein eigenes Brett, und der Händler ließ sich widerstrebend darauf ein, nachdem er mit deutlichen Worten darauf hingewiesen worden war, daß das Brett eine spanische Arbeit aus dem sechzehnten Jahrhundert war, also zeitlich alles andere als passend, so daß es geradezu ein Entgegenkommen des Käufers sei, es als Geschenk zu akzeptieren.
    Nachdem der Kampf somit ein ehrenvolles Ende gefunden hatte, erkundigte sich der freudestrahlende Händler, wohin er das Paket schicken dürfe.
    «Wir nehmen es mit», sagte Peter kurz. «Wenn Ihnen Bargeld lieber ist als ein Scheck –»
    Der Händler protestierte, daß ein Scheck ihm natürlich gut genug sei, nur werde es ein ziemlich großes Paket geben und das Verpacken eine Weile in Anspruch nehmen, da jedes Stück einzeln eingewickelt werden müsse.
    «Wir sind nicht in Eile», sagte Peter. «Wir nehmen es mit.» Und damit hielt er sich nur an die Grundregel einer guten Kinderstube, wonach

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