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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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denken.»
    «Sie haben keinen Beweis dafür, daß ich es war», sagte Miss Hillyard mit plötzlich wiedererwachtem Kampfgeist. «Nur dafür, daß ich in Ihrem Zimmer war. Es war schon geschehen, als ich hinkam. Ich habe es gesehen und bin hineingegangen, um es mir richtig anzusehen. Sie können Ihrem Geliebten sagen, daß ich es gesehen und mich darüber gefreut habe. Aber er wird Ihnen sagen, daß dies kein Beweis für meine Täterschaft ist.»
    «Hören Sie, Miss Hillyard», sagte Harriet, schwankend zwischen Zorn, Argwohn und einem Mitleid schrecklicher Art, «ich bitte Sie, ein für allemal zu begreifen, daß er nicht mein Liebhaber ist. Wenn er es wäre, glauben Sie wirklich, wir würden –» hier kam ihr das Ganze auf einmal derart lächerlich vor, daß sie nur mit Mühe ihre Stimme in der Gewalt behielt – «wir würden ausgerechnet hierher kommen, um uns daneben zu benehmen, hier im Shrewsbury unter den größtmöglichen Unbequemlichkeiten? Selbst wenn ich keine Achtung vor dem College hätte – welchen Sinn hätte das? Wo wir die ganze Welt und alle Zeit der Welt zur Verfügung hätten – warum sollten wir ausgerechnet hierherkommen und hier unser Unwesen treiben? Das wäre doch dumm. Und wenn Sie wirklich vorhin unten im Hof waren, müßten Sie wissen, daß Leute, die ein Verhältnis miteinander haben, nicht so miteinander umgehen würden. Zumindest», fügte sie ziemlich unfreundlich hinzu, «wüßten Sie das, wenn Sie von solchen Dingen überhaupt eine Ahnung hätten. Wir sind gute alte Freunde, und ich verdanke ihm sehr viel –»
    «Reden Sie doch keinen Unsinn», unterbrach die Professorin sie barsch. «Sie wissen doch, daß Sie in den Mann verliebt sind.»
    «Mein Gott!» rief Harriet, der plötzlich ein Licht aufging.
    «Wenn ich es nicht bin, weiß ich jetzt jedenfalls, wer es ist.»
    «Sie haben kein Recht, so etwas zu sagen!»
    «Trotzdem ist es wahr», sagte Harriet. «O Gott! Es hat wohl keinen Sinn, zu sagen, wie leid mir das tut.» (Dynamit in einer Pulverfabrik? Ja, wirklich, Miss Edwards, Sie haben es früher gesehen als alle andern. Biologisch interessant!) «So etwas ist einfach teuflisch.» («Das macht die Sache teuflisch kompliziert», hatte Peter gesagt. Er hatte es natürlich auch gemerkt. Er war viel zu erfahren, um so etwas nicht zu merken. Wahrscheinlich passierte ihm das Dutzende Male – Frauen dutzendweise – in ganz Europa. Ach du meine Güte! Und war das nur eine wild aus der Luft gegriffene Behauptung, oder hatte Miss Hillyard in seiner Vergangenheit herumgestöbert und Wiener Sängerinnen dabei zu Tage gefördert?)
    «Um Himmels willen», sagte Miss Hillyard, «gehen Sie!»
    «Das halte ich auch für besser», antwortete Harriet.
    Sie wußte nicht, wie sie sich in dieser Situation hätte verhalten sollen. Zu Empörung und Zorn war sie nicht mehr fähig. Sie hatte keine Angst. Sie war auch nicht eifersüchtig. Es tat ihr nur leid, und gleichzeitig war sie nicht imstande, Mitgefühl auszudrücken, ohne daß es beleidigend geklungen hätte. Sie merkte, daß sie noch immer Miss Hillyards Hausschuh in der Hand hielt. Sollte sie ihn zurückgeben? Er war ein Beweisstück – für irgend etwas. Aber wofür? Die ganze Sache mit dem Poltergeist schien über den Horizont entschwunden zu sein und ließ nur die gequälte Hülle einer Frau zurück, die unter dem grausamen Licht der grellen elektrischen Lampe ins Leere starrte. Harriet nahm den anderen Elfenbeinsplitter an sich, der unter dem Schreibtisch lag – es war die kleine Speerspitze eines roten Bauern.
    Wie man auch immer persönlich empfinden mochte – Beweisstück war Beweisstück. Peter – ihr fiel ein, daß Peter gesagt hatte, er wolle aus dem Mitre anrufen. Sie ging, den Hausschuh in der Hand, hinunter und lief auf dem Neuen Hof Mrs. Padgett in die Arme, die sie gerade suchte.
    Der Anruf wurde in die Telefonzelle im Queen-Elizabeth-Bau durchgestellt.
    «Es ist zum Glück doch nicht so schlimm», sagte Peters Stimme. «Der Großmogul möchte mich nur einmal in seinem Privathaus sprechen. Ein kleines Sonntagnachmittagsvergnügen im wilden Warwickshire sozusagen. Das kann zwar heißen, daß ich hinterher doch wieder nach London oder Rom muß, aber wir wollen’s nicht hoffen. Jedenfalls reicht es, wenn ich um halb zwölf bei ihm bin. Ich komme also morgen gegen neun noch zu Ihnen.»
    «Ja, bitte, Peter. Es ist nämlich etwas passiert. Nichts Beängstigendes, aber ärgerlich. Ich kann es Ihnen nicht am Telefon

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