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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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erzählte, ging er unruhig im Zimmer umher, wobei er mit der instinktiven Behutsamkeit einer Katze die Scherben und Elfenbeinsplitter auf dem Boden mied, und blieb schließlich mit dem Rücken zu ihr am Fenster stehen. Sie hatte die Vorhänge zugezogen, als sie mit ihm heraufgekommen war, und sein Blick wirkte völlig geistesabwesend.
    «Zum Teufel auch!» sagte er plötzlich. «Das macht die Sache ungemein kompliziert.» Er hatte noch immer den roten Bauern in der Hand, und nun kam er zurück und stellte ihn behutsam auf den Kaminsims. «Ja. Nun, ich denke, Sie werden herausfinden müssen –»
    Jemand klopfte an die Tür, und Harriet ging öffnen.
    «Entschuldigen Sie, Madam, aber Padgett hat in das Dozentenzimmer geschickt, um zu fragen, ob Lord Peter Wimsey dort sei, und weil er meinte, Sie wüßten vielleicht –»
    «Er ist hier, Annie. Für Sie, Peter.»
    «Ja?» sagte Peter, indem er zur Tür kam.
    «Bitte, Sir, es ist ein Anruf aus dem Mitre gekommen, daß aus dem Außenministerium für Sie angerufen worden sei, und ob Sie bitte gleich zurückrufen könnten.»
    «Was? O Gott, das mußte kommen! Na schön, danke, Annie. Ach, einen Moment. Sie waren das doch, die – äh – diese Person gesehen hat, die im Naturwissenschaftlichen Hörsaal ihre Späßchen trieb, ja?»
    «Ja, Sir. Aber nicht so, daß ich sie erkannt hätte, Sir.»
    «Das nicht. Aber Sie haben sie gesehen, und sie weiß vielleicht nicht, daß Sie sie nicht erkennen konnten. Ich glaube, ich an Ihrer Stelle würde mich etwas in acht nehmen, wenn ich nachts im College umherginge. Ich möchte Ihnen keine Angst machen, aber Sie sehen ja, was mit Miss Vanes Schachfiguren angestellt wurde.»
    «Ja, Sir, das sehe ich. Sehr schade, nicht?»
    «Es wäre mehr als schade, wenn Ihnen auch etwas zustieße. Nun werden Sie nicht gleich ängstlich, aber an Ihrer Stelle würde ich immer jemanden mitnehmen, wenn ich nach Sonnenuntergang irgendwohin gehen müßte. Und denselben Rat würde ich dem Hausmädchen geben, das bei Ihnen war.»
    «Carrie? Gut, ich sag’s ihr.»
    «Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, verstehen Sie? Nun gute Nacht, Annie.»
    «Gute Nacht, Sir. Danke.»
    «Ich werde noch rundum Hundehalsbänder verteilen», sagte Peter. «Man weiß nie, ob man Leute warnen soll oder nicht. Manche werden dann hysterisch, aber sie sieht ziemlich vernünftig aus. So, meine Liebe; es ist zwar sehr ärgerlich, aber wenn ich wieder nach Rom geschickt werde, muß ich hin. (Ich würde diese Tür abschließen.) Wenn die Pflicht ruft und so weiter. Wenn es Rom ist, schicke ich Bunter mit allen Aufzeichnungen, die ich im Mitre habe, hierher und weise Miss Climpsons Detektive an, Ihnen direkt zu berichten. Jedenfalls rufe ich heute abend noch an, sobald ich weiß, worum es geht. Wenn ich nicht nach Rom muß, komme ich morgen früh wieder her. Und lassen Sie bitte inzwischen niemanden in Ihr Zimmer. Ich finde, Sie sollten es zuschließen und heute nacht woanders schlafen.»
    «Ich denke, Sie erwarten keine nächtlichen Störungen mehr?»
    «Tue ich auch nicht; aber ich möchte nicht, daß jemand über diesen Fußboden hier läuft.» Er blieb vor der Treppe stehen und musterte seine Schuhsohlen. «Ich habe keine Splitter mit mir fortgetragen. Sie vielleicht?»
    Harriet hob zuerst das eine Bein und dann das andere.
    «Diesmal nicht. Und das erste Mal bin ich gar nicht erst ins Zimmer hineingegangen. Ich bin an der Tür stehengeblieben und habe geflucht.»
    «Das war brav. Die Wege auf dem Hof sind nämlich ein wenig feucht, und da könnte etwas hängengeblieben sein. Es regnet im Moment sogar etwas. Sie werden naß.»
    «Das macht nichts. Ach, Peter – ich habe noch Ihren weißen Schal.»
    «Behalten Sie ihn, bis ich wiederkomme – morgen, wenn wir Glück haben, sonst weiß der Himmel wann. Menschenskind, ich wußte doch, daß es wieder Ärger geben würde.» Er blieb unter den Buchen stehen. «Harriet, lassen Sie sich nicht umbringen oder sonst etwas, sowie ich Ihnen den Rücken kehre – bitte, wenn Sie es eben vermeiden können; ich meine, Sie pflegen nicht besonders gut auf Wertsachen achtzugeben.»
    «Sie meinen, ich könnte wenigstens auf mich aufpassen? Gut, Peter. Diesmal werde ich mir Mühe geben.»
    Sie gab ihm die Hand, und er beugte sich darüber und küßte sie. Wieder glaubte Harriet eine Bewegung im Dunkeln zu sehen, wie schon das letzte Mal, als sie über den dunklen Hof gegangen waren. Aber sie wollte ihn nicht aufhalten und sagte darum wieder nichts.

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