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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Fuchtelte mit den Händen herum und verdrehte die Augen. Sie hat mich auch gesehen. Ich kann mich nicht geirrt haben. Ein Freund von mir saß am Steuer, und ich wollte ihn auf sie aufmerksam machen, aber er kurvte gerade um einen Bus herum und verstand mich nicht. Jedenfalls, als wir am Tor vom Magdalen anhielten, bin ich hinausgesprungen und zurückgerannt, aber ich konnte sie nirgends mehr finden. Sie war wie vom Erdboden verschwunden. Ich wette, sie wußte, daß ich sie erkannt hatte, und ist abgehauen. Mir ist der Schrecken in die Glieder gefahren. Ich fand, sie sah aus, als wenn sie etwas im Schilde führte. Darum habe ich bei Ihnen angerufen, aber Sie waren nicht da, und dann habe ich’s im Mitre versucht, aber das war auch zwecklos, und so sitze ich jetzt hier den ganzen Abend herum und schwitze vor Aufregung. Zuerst wollte ich Ihnen eine Nachricht hinterlassen, aber dann fand ich, das sollte ich Ihnen lieber selbst sagen. Ist das nicht lieb von mir? Ich habe extra ein Abendessen abgesagt, um Sie nicht zu verpassen.»
    «Das war sehr nett von Ihnen», bestätigte Harriet. «Was hatte unser Gespenst denn an?»
    «Ach – so ein dunkelblaues Kleid mit Blümchenmuster und einen Hut mit Krempe. So was, wie die meisten von Ihren Professorinnen nachmittags tragen. Ordentlich und nicht auffallend. Nicht schick. Nur gewöhnlich. Aber die Augen habe ich erkannt. Eine richtige Gänsehaut habe ich bekommen. Ehrlich. Der Frau ist nicht über den Weg zu trauen, das möchte ich beschwören.»
    «Es ist sehr nett von Ihnen, mich zu warnen», wiederholte Harriet. «Ich werde herauszufinden versuchen, wer das gewesen sein könnte. Und ich werde mich in acht nehmen.»
    «Bitte, ja», sagte Lord Saint-George. «Ich meine, Onkel Peter hat so einen schrecklichen Bammel. Er ist ganz aus dem Häuschen. Klar, ich weiß, daß er ein alter Zappelphilipp ist, und ich hab ja auch schon mein Bestes getan, die arme geplagte Seele zu beruhigen, aber langsam glaube ich, daß er für seine Besorgnis guten Grund hat. Um Himmels willen, Tante Harriet, tun Sie etwas dagegen. Ich kann es mir nicht leisten, einen kostbaren Onkel vor meinen Augen zugrunde gehen zu sehen. Er kommt mir allmählich vor wie der Lord of Burleigh, Sie wissen ja – geht pausenlos auf und wieder ab und so weiter – und die Verantwortung wiegt so schwer.»
    «Wissen Sie was?» meinte Harriet. «Am besten kommen Sie morgen zum Essen hierher und halten die Augen offen, ob Sie die Dame irgendwo sehen. Heute abend hat das nicht viel Sinn, weil viele sonntags gar nicht zum Abendessen kommen.»
    «Abgemacht!» sagte der Vicomte. «Das ist eine prima Idee. Wenn ich Onkel Peters Fall lösen könnte, würde das ein schönes Geburtstagsgeschenk von ihm bedeuten. Bis bald, und passen Sie gut auf sich auf!»
     
    «Daran hätte ich früher denken können», sagte Harriet, als sie diese Neuigkeit der Dekanin mitteilte. «Aber ich wäre nicht auf die Idee gekommen, daß er die Frau so genau wiedererkennen würde, nachdem er sie doch nur einmal gesehen hat.»
    Die Dekanin, der die ganze Geschichte von der Begegnung Lord Saint-Georges mit dem Gespenst neu war, neigte zur Skepsis. «Ich persönlich würde mir nicht zutrauen, jemanden, den ich nur einmal kurz bei Dunkelheit gesehen habe, wiederzuerkennen – und ganz sicher würde ich so einem jungen Luftikus wie ihm nicht trauen. Die einzige hier, von der ich weiß, daß sie ein marineblaues geblümtes Kleid hat, ist Miss Lydgate, und ich weigere mich rundheraus, das zu glauben! Aber bitten Sie den jungen Mann ruhig zum Abendessen. Für Abwechslung bin ich immer zu haben, und er ist ja noch dekorativer als der andere.»
    Harriet hatte mehr und mehr das Gefühl, daß die Krise sich jetzt zuspitzte. «Passen Sie auf sich auf.» Ganz schön dumm würde sie aussehen, wenn sie mit einem Hundehalsband hier herumliefe. Auch würde es sie kaum gegen einen Schürhaken oder Ähnliches schützen … Der Wind mußte aus Südwesten kommen, denn die dumpfen Töne des Großen Tom, der seine allabendlichen hunderteins Schläge erschallen ließ, drangen deutlich an ihr Ohr, als sie den Alten Hof überquerte.
    «Keinesfalls später als halb zehn», hatte Miss Ward gesagt. Wenn das Gespenst es aufgegeben hatte, in der Nacht umzugehen, so war es doch abends noch ganz munter.
    Sie ging nach oben und schloß die Tür hinter sich ab, ehe sie die Schublade aufzog und das schwere Band aus Leder und Messing herausnahm. Etwas an der Beschreibung dieser Frau, die

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