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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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fuhr mit tastender Hand nach dieser Stelle und traf auf einen Verband. «Was ist denn passiert?»
    «Das möchten wir alle gern wissen», sagte die Krankenschwester.
    «Also, ich kann mich an gar nichts erinnern», sagte Harriet.
    «Macht nichts. Trinken Sie das.»
    Wie in einem Buch, dachte Harriet. Immer hieß es: «Trinken Sie das.» Das Zimmer war doch gar nicht so hell; die Jalousie war zugezogen. Nur ihre Augen waren außerordentlich lichtempfindlich. Man machte sie besser zu.
     
    «Trinken Sie das» mußte eine sehr wohltuende Wirkung gehabt haben, denn als sie wieder aufwachte, war das Kopfweh nicht mehr gar so schlimm, und sie hatte einen Wolfshunger. Außerdem begann sie sich an das eine oder andere zu erinnern – das Hundehalsband und die Lampen, die nicht angingen – und die Hände, die sie aus der Dunkelheit gepackt hatten. Dort aber brach die Erinnerung störrisch ab. Sie hatte keine Ahnung, wie das Kopfweh zustandegekommen war. Und dann fiel ihr das Bild mit Miss de Vine auf der Couch wieder ein. Sie erkundigte sich nach ihr.
    «Sie liegt im Zimmer nebenan», sagte die Krankenschwester.
    «Sie hatte einen ziemlich schweren Herzanfall, aber jetzt geht es ihr wieder besser. Sie hatte sich einfach zuviel zugemutet, und es war natürlich ein Schock für sie, Sie so zu finden.»
     
    Erst am Abend, als die Dekanin kam und die Patientin fiebernd vor Neugier antraf, erfuhr Harriet die ganze Geschichte des Abenteuers von der vergangenen Nacht.
    «So, wenn Sie jetzt schön ruhig bleiben, erzähle ich es Ihnen», sagte die Dekanin. «Andernfalls nicht. Und Ihr schöner junger Freund hat Ihnen einen kleinen Garten voll Blumen geschickt und will sich morgen früh wieder melden. Also – die arme Miss de Vine kam gegen zehn Uhr hier an – ihr Zug hatte ein wenig Verspätung gehabt – und Mullins hat ihr sogleich ausgerichtet, sie solle unverzüglich zur Rektorin gehen. Sie hielt es jedoch für besser, erst noch ihren Hut abzunehmen, und ist darum in ihre Wohnung gegangen – ganz eilig, um Dr. Baring nicht warten zu lassen. Nun, und als erstes ging dort natürlich das Licht nicht an; und als nächstes hörte sie zu ihrem Entsetzen Sie, meine Liebe, im Dunkeln auf dem Fußboden stöhnen. Sie hat dann die Tischlampe angeknipst, die auch tatsächlich brannte – und da lagen Sie und boten einen Anblick, der für eine respektable Professorin in ihrem eigenen Wohnzimmer schon starker Tobak war. Sie haben übrigens zwei schöne Nähte am Kopf; das war die Ecke des Bücherschranks … Miss de Vine stürzte also hilferufend hinaus, aber im ganzen Haus war keine Menschenseele, und dann, meine Liebe, ist sie wie von Furien gehetzt in den Burleigh-Bau hinübergerannt, und ein paar Studentinnen sind herausgekommen, um zu sehen, was los war, und jemand hat die Rektorin geholt, jemand anders die Krankenschwester, und wieder jemand anders hat Miss Hillyard und Miss Stevens und mich geholt, denn wir saßen gerade zu einem gemütlichen Täßchen Tee zusammen in meinem Zimmer, und wir haben den Arzt gerufen, und dann meldete sich wieder Miss de Vines schwaches Herz – von dem Schrecken und dem Herumgerenne –, und sie lief vor unsern Augen ganz blau an … jedenfalls hatten wir einen lustigen Abend.»
    «Das kann ich mir vorstellen. Wie zur Jahresfeier! Sie haben wohl nicht herausbekommen, wer es war?»
    «Wir hatten eine ganze Weile gar keine Zeit, daran überhaupt zu denken. Und als sich gerade wieder alles ein wenig beruhigte, kam das mit Annie, und es fing wieder von vorn an.»
    «Annie? Was ist denn mit ihr?»
    «Ach, das wissen Sie noch nicht? Wir haben sie im Kohlenkeller gefunden, und in was für einem Zustand! Der ganze Kohlenstaub, und sie hatte ja immerzu mit den Fäusten gegen die Tür gehämmert; ein Wunder, daß die Ärmste nicht völlig durchgedreht ist, die ganze Zeit da eingesperrt zu sein. Und wenn Lord Peter nicht gewesen wäre, hätten wir womöglich erst am andern Morgen angefangen, nach ihr zu suchen, wo doch alles so drunter und drüber ging.»
    «Stimmt – er hat sie gewarnt, daß sie angegriffen werden könnte … Woher wußte er? Haben Sie ihn angerufen oder was?»
    «Ja. Nachdem wir Sie und Miss de Vine ins Bett verfrachtet und uns vergewissert hatten, daß keine von Ihnen beiden vorerst das Zeitliche segnen würde, fiel plötzlich jemandem ein, daß Ihre ersten Worte, nachdem wir Sie aufgelesen hatten, ‹Sagt Peter –› gelautet hatten. Also haben wir im Mitre angerufen, aber da war er nicht;

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