Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
waren Miss Layton und die anderen aber von gröberem Holz. Ich möchte Sie allerdings ausdrücklich darauf hinweisen, daß mit ein paar unbedeutenden Ausnahmen aller Haß sich gegen Professorinnen und gute Studentinnen richtete.»
    Hier unterbrach ihn die Quästorin, die schon die ganze Zeit Symptome von Verärgerung gezeigt hatte:
    «Ich weiß nicht, was dieser Lärm hier unten in dem Gebäude soll. Haben Sie etwas dagegen, Dr. Baring, wenn ich jemanden schicke und das unterbinden lasse?»
    «Es tut mir leid», sagte Wimsey. «Ich glaube, daran bin ich schuld. Ich habe Padgett nahegelegt, daß eine Suche im Kohlenkeller sich lohnen könnte.»
    «Dann werden wir uns wohl leider damit abfinden müssen», stellte die Rektorin fest. Sie neigte den Kopf in Wimseys Richtung, und dieser fuhr fort:
    «Das war eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse, wie sie mir von Miss Vane geschildert wurden, als sie mir – mit Ihrem Einverständnis, Dr. Baring – den Fall unterbreitete. Ich hatte ein wenig den Eindruck» – hier wurde seine rechte Hand unruhig und begann auf dem Tisch einen stummen Rhythmus zu trommeln – «daß Miss Vane und auch einige von Ihnen geneigt waren, die Ausschreitungen als Folge von Verdrängungen zu sehen, die einen ehelosen Lebenswandel manchmal begleiten und sich in obszöner, blinder Bosheit gegen diese Lebensbedingungen einerseits sowie gegen solche Personen andererseits richten, die einmal über weitergehende Erfahrungen verfügt haben, verfügen oder demnächst vielleicht verfügen werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es solche Bosheit gibt. Aber die Geschichte dieses Falles schien mir ein völlig anderes psychologisches Porträt zu ergeben. Ein Mitglied dieses Kollegiums war einmal verheiratet, ein anderes ist verlobt; diese beiden wurden (soviel ich weiß) nie belästigt, obwohl sie eigentlich die ersten Opfer hätten sein müssen. Die Dominanz der nackten Frau auf den frühen Zeichnungen erscheint mir ebenfalls sehr bezeichnend. Ebenso die Vernichtung von Miss Bartons Buch. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß die Voreingenommenheit, die X an den Tag legte, ausgesprochen bildungsfeindlich war und ein mehr oder weniger rationales Motiv hatte, ausgehend von irgendeiner Kränkung, die einem Mann von einer akademisch gebildeten Frau zugefügt worden war und – in den Augen von X – auf Mord hinauslief. Ihr ganzer Groll schien sich für mich zunächst und vor allem gegen Miss de Vine zu richten, sich dann von ihr auf das College und möglicherweise auf gebildete Frauen überhaupt auszudehnen. Darum war ich der Meinung, wir sollten uns nach einer Frau umsehen, die erstens einmal verheiratet war oder sexuelle Erfahrungen hat, zweitens nur mäßig gebildet ist, aber schon Berührung mit Wissenschaft und Wissenschaftlern hatte, deren Vorleben drittens in irgendeiner Weise mit dem von Miss de Vine verknüpft gewesen ist, und die viertens (aber das ist eine bloße Vermutung) wahrscheinlich erst seit Dezember vorigen Jahres im College wohnt.»
    Harriet riß ihren Blick von Peters Hand los, die mit ihrem lautlosen Trommeln aufgehört hatte und jetzt flach und ruhig auf dem Tisch lag, und versuchte die Wirkung auf seine Zuhörerinnen zu ergründen. Miss de Vine hatte die Stirn in Falten gezogen, als lasse sie im Geiste die Jahre an sich vorüberziehen, um völlig leidenschaftslos die Frage zu prüfen, ob sie wohl einen Mord begangen habe; Miss Chilperics Gesicht zeigte ein betroffenes Erröten; in Mrs. Goodwins Miene stand Protest; in Miss Hillyards Augen blitzte eine wunderliche Mischung aus Triumph und Verlegenheit; Miss Barton nickte in stummer Zustimmung; Miss Allison lächelte; Miss Shaw schaute ein wenig gekränkt drein; Miss Edwards sah Peter mit einem Blick an, der unverhohlen sagte: «Mit Leuten wie Ihnen kann ich etwas anfangen.» Die gesetzte Miene der Rektorin verriet keine Regung. Das Profil der Dekanin gab ihre Empfindungen nicht preis, aber sie ließ einen raschen kleinen Seufzer hören, der nach Erleichterung klang.
    «Ich komme jetzt zu den materiellen Indizien», sagte Peter.
    «Da wären zuerst die anonymen Briefe. Es kam mir ausgesprochen unwahrscheinlich vor, daß sie in solcher Menge innerhalb der Collegemauern fabriziert wurden, ohne einmal einen Hinweis auf ihren Ursprung zu hinterlassen. Ich war also geneigt, die Quelle außerhalb zu suchen. Das gilt ebenso für das gemusterte Kleid, das die Puppe trug; es erschien mir sehr sonderbar, daß niemand es je gesehen haben

Weitere Kostenlose Bücher