Aufruhr in Oxford
weben.»
«Sie und Ihr Onkel», sagte Harriet, «sollten sich Ihr Geld mit Sprücheklopfen verdienen.»
22. Kapitel
O nein, es ist kein Ende; das Ende ist Tod und Wahnsinn! Und nie fühle ich mich besser, als wenn ich wahnsinnig bin; dann dünke ich mich einen tapferen Gesellen; dann vollbringe ich Wunder. Doch vergeht sich die Vernunft an mir, ist’s Qual, ist’s Hölle. Zu guter Letzt, Sir, bringt mich zu einem von den Mördern: Wäre er stark wie Hektar, ich würde ihn zerfetzen und auf und nieder schleifen.
BEN JONSON
Donnerstag. Ein schwerer, trüber, bedrückender Donnerstag, der aus einem Himmel gleich einem großen, grauen Kistendeckel langweiligen Regen schüttete. Die Rektorin hatte für halb drei – auch eine trostlose Stunde – eine Kollegiumsbesprechung einberufen. Alle drei Patientinnen waren wieder auf den Beinen. Harriet hatte ihren Verband gegen ein paar häßliche, unromantische Pflaster eingetauscht, und wenn sie auch kein richtiges Kopfweh hatte, so doch das Gefühl, als könnte sie jeden Augenblick wieder welches bekommen. Miss de Vine sah aus wie ein Gespenst. Annie, die zwar körperlich weniger gelitten hatte als die beiden andern, schien jedoch immer noch von nervösen Angstzuständen heimgesucht zu werden und schlich unglücklich ihrer Arbeit nach, wobei das zweite Mädchen ihr stets zur Hand war.
Man hörte, daß Lord Peter Wimsey bei dieser Besprechung zugegen sein werde, um dem Kollegium bestimmte Informationen zu unterbreiten. Harriet hatte von ihm eine kurze, typische Nachricht erhalten:
«Gratuliere, daß Sie noch nicht tot sind. Habe Ihr Halsband mitgenommen, um meinen Namen anbringen zu lassen.»
Sie hatte das Halsband schon vermißt. Und von Miss Hillyard hatte sie in seltsam anschaulicher Weise geschildert bekommen, wie Peter zwischen Nacht und Morgengrauen an ihrem Bett gestanden habe – ganz stumm, das dicke Lederband in seinen Händen hin und her drehend.
Den ganzen Morgen hatte sie damit gerechnet, ihn zu sehen; aber er kam erst im allerletzten Moment, so daß ihre Begrüßung im Dozentenzimmer stattfand, unter den Augen sämtlicher Professorinnen. Er kam direkt aus London und hatte sich nicht einmal umgezogen, und sein Kopf wirkte über dem dunklen Anzug wie ein verblaßtes Aquarell. Er begrüßte höflich zuerst die Rektorin und die ranghöchsten Professorinnen, bevor er zu ihr kam und ihre Hand ergriff.
«Na, wie geht’s?»
«Nicht übel, den Umständen gemäß.»
«Schön.»
Er lächelte, dann ging er hin und nahm neben der Rektorin Platz. Harriet setzte sich auf der anderen Tischseite neben die Dekanin. Alles, was in ihm lebte, fühlte sie in ihrer Hand wie einen reifen Apfel. Dr. Baring bat ihn anzufangen, und er tat dies im nüchternen Ton eines Sekretärs, der das Protokoll einer Aufsichtsratsitzung verlas. Er hatte einen Stoß Papiere vor sich liegen, darunter (wie Harriet bemerkte) auch ihre Aufzeichnungen, die er am Montagmorgen mitgenommen haben mußte. Aber er sprach, ohne ein einziges Mal in seinen Notizen nachzusehen, den Blick auf eine Vase Ringelblumen gerichtet, die vor ihm auf dem Tisch stand.
«Ich brauche Ihre Zeit nicht damit in Anspruch zu nehmen, daß ich noch einmal alle Einzelheiten dieses verwirrenden Falles aufzähle. Ich will Ihnen nur die wichtigsten Punkte darlegen, wie sie sich mir präsentierten, als ich am Sonntag vor einer Woche nach Oxford kam, nur um Ihnen die Grundlage aufzuzeigen, auf der sich meine Arbeitstheorie gründete. Dann werde ich diese Theorie formulieren und mit Indizien belegen, die Sie, wie ich hoffe und glaube, als schlüssig ansehen werden. Ich darf sagen, daß nahezu alle für die Aufstellung dieser Theorie notwendigen Daten in der sehr wertvollen Zusammenfassung der Ereignisse enthalten waren, die Miss Vane für mich erstellt und mir bei meiner Ankunft übergeben hat. Die Beschaffung der übrigen Beweise war, wie die Polizei es nennt, reine Routine.»
(Das nenne ich Anpassung des Stils an sein Publikum, dachte Harriet. Sie sah sich um. Die Stille im Kollegium glich der einer Kirchengemeinde vor der Predigt, aber sie fühlte die nervöse Spannung allenthalben. Sie alle wußten nicht, was sie hier möglicherweise zu hören bekamen.)
«Das erste, was einem Außenstehenden auffallen mußte», fuhr Peter fort, «war, daß diese Demonstrationen bei der Jahresfeier begannen. Ich darf sagen, daß dies der erste schwere Fehler war, den die Missetäterin beging. Es wird uns übrigens Zeit und Mühen
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