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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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saßen und bei ihrem Näherkommen verlegen aufsprangen wie zwei aufgescheuchte Tauben in einer Glockenstube.
    «Bleiben Sie nur», sagte Wimsey höflich. «Hier ist Platz genug für uns alle.»
    «Oh, es macht aber nichts, Sir», antwortete Mr. Pomfret. «Wir wollten sowieso gerade gehen. Wirklich. Ich habe um zwölf Uhr Vorlesung.»
    «Du lieber Gott!» sagte Harriet, als die beiden im Türmchen verschwanden. Aber Peter hatte bereits das Interesse an Mr. Pomfret und seinen Angelegenheiten verloren. Er hatte die Ellbogen auf die Brüstung gestützt und sah hinunter in die Catte Street. Harriet trat neben ihn.
    Nach Osten hin, nur einen Steinwurf entfernt, ragten die Zwillingstürme des All Souls College empor, phantastisch, unwirklich wie ein Kartenhaus und gestochen scharf im Sonnenlicht, darunter das nasse Oval des Innenhofs wie ein Smaragd in einer Ringfassung; dahinter schwarz und grau das New College, finster wie eine Festung, die Glockentürme von dunklen Flügeln umflattert; das Queen’s College mit seiner Kuppel aus grünem Kupfer; und wenn das Auge sich nach Süden wandte, der Magdalen-Turm, gelb und schlank und hoch – die Lilie unter den Türmen; die Examenssäle und die zinnenbewehrte Front des University College; das Merton College mit seinen viereckigen Türmchen, halbversteckt hinter der im Schatten liegenden Nordseite und dem hohen Turm von St. Mary. Nach Westen wiederum das Christ Church College, ausgebreitet zwischen Kathedrale und Tom Tower; dicht vor ihnen das Brasenose College; dahinter die St. Aldate’s und der Carfax. Türme und Zinnen und Innenhöfe, zu ihren Füßen ganz Oxford in lebendem Grün und dauerhaftem Stein, in der Ferne umsäumt von seinem Bollwerk blauer Berge.
     
    Stadt der Türme, zwischen Türmen grünend,
Kuckuckshallend, glockensingend, lerchenzwitschernd,
Krähenumflattert, flußumschlungen,
buntblühende Lilie im Tal.
     
    «Harriet», sagte Peter, «ich möchte Sie für die letzten fünf Jahre um Verzeihung bitten.»
    «Ich glaube, umgekehrt wäre es richtiger», meinte Harriet.
    «Das glaube ich nicht. Wenn ich daran zurückdenke, wie wir uns zum erstenmal begegnet sind –»
    «Peter, denken Sie doch nicht mehr an diese schreckliche Zeit. Ich war mir damals selbst zuwider, körperlich und seelisch. Ich wußte gar nicht, was ich tat.»
    «Und ausgerechnet in dieser Zeit, wo ich nur an Sie hätte denken dürfen, mußte ich mich Ihnen aufdrängen, Forderungen an Sie stellen, ich eingebildeter Narr – als brauchte ich nur zu verlangen, um zu bekommen. Bitte glauben Sie mir, Harriet, daß mein dummes Benehmen, wie es für Sie auch immer ausgesehen haben mag, nichts Schlimmeres war als Eitelkeit und blinde, kindische Ungeduld, meinen Willen zu bekommen.»
    Sie schüttelte den Kopf und fand keine Worte.
    «Ich habe Sie gefunden», fuhr er jetzt ruhiger fort, «entgegen aller Hoffnung und Erwartung und zu einer Zeit, als ich nicht mehr glaubte, daß je eine Frau mir mehr bedeuten könnte als Zeitvertreib und billiges Vergnügen auf beiden Seiten. Ich hatte solche Angst, Sie zu verlieren, noch ehe ich Sie bekommen konnte, daß ich meine ganze Gier und Angst aus mir herausgestammelt habe, als ob Sie – Gott steh mir bei – an nichts anderes zu denken gehabt hätten als an mich und meinen aufgeblasenen Eigendünkel. Als ob der etwas bedeutet hätte. Als ob nicht schon das Wort Liebe die größte Gemeinheit gewesen wäre, die ein Mann Ihnen antun konnte.»
    «Nein, Peter, das nicht. Nie.»
    «Meine Liebe – was Sie von mir hielten, haben Sie mir gezeigt, als Sie sagten, Sie würden mit mir leben, mich aber nicht heiraten.»
    «Bitte nicht! Dafür schäme ich mich heute noch.»
    «Sie können sich dessen nicht so bitter schämen, wie ich mich geschämt habe. Wenn Sie wüßten, wie ich versucht habe, das zu vergessen! Ich habe mir eingeredet, Sie fürchteten sich nur vor den gesellschaftlichen Konsequenzen der Ehe. Ich habe mich zu trösten versucht, indem ich mir einredete, es zeige doch nur, daß Sie mich ein wenig gern hätten. Monatelang habe ich meine Eitelkeit genährt, bevor ich mir die demütigende Wahrheit eingestehen konnte, die ich von Anfang an hätte kennen müssen – daß Ihnen meine Belästigungen zuwider waren und daß Sie sich mir hingeworfen hätten, wie man einem Hund einen Knochen hinwirft, damit der Köter zu kläffen aufhört.»
    «Peter, das ist nicht wahr. Nur ich selbst war mir zuwider. Wie hätte ich Ihnen Falschgeld als Mitgift andrehen

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