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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nicht leicht gewesen sein – zusehen zu müssen und es nicht in seiner Macht zu haben, einzugreifen.»
    «Ja. Ich wünschte fast, er hätte eingegriffen, statt so unverschämt intelligent zu sein. Es wäre zur Abwechslung wirklich einmal eine Erleichterung gewesen, einfach überfahren zu werden.»
    «Das wird er nie tun. Das ist seine Schwäche. Er wird nie eine Entscheidung für Sie treffen. Die müssen Sie allein treffen. Sie brauchen nicht zu fürchten, Ihre Unabhängigkeit zu verlieren; er wird sie Ihnen immer wieder aufzwingen. Wenn Sie je eine irgendwie geartete Ruhe bei ihm finden, kann es nur die Ruhe eines sehr empfindlichen Gleichgewichts sein.»
    «Das sagt er selbst auch. Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie so einen Mann heiraten wollen?»
    «Ehrlich gesagt, nein», antwortete Miss de Vine. «Ich würde es um keinen Preis tun. Eine Ehe zwischen zwei unabhängigen und gleichermaßen reizbaren Intelligenzen erscheint mir gewagt bis zur Tollkühnheit. Man kann einander so abscheulich weh tun.»
    «Ich weiß. Und ich glaube nicht, daß ich es noch einmal ertragen könnte, wenn mir weh getan würde.»
    «Dann», sagte Miss de Vine, «schlage ich vor, daß Sie aufhören, anderen weh zu tun. Sehen Sie den Tatsachen ins Auge und ziehen Sie die Konsequenzen. Gehen Sie das Problem wissenschaftlich an, und erledigen Sie es.»
    «Ich glaube, Sie haben vollkommen recht», sagte Harriet. «Das werde ich tun. Dabei fällt mir ein, daß Miss Lydgates Prosodie heute morgen von ihr eigenhändig mit dem Imprimatur versehen wurde. Ich bin damit geflüchtet und habe mir eine Studentin geschnappt, die das Manuskript in die Druckerei bringen sollte. Ich bin fast sicher, daß ich noch eine schwache Stimme aus dem Fenster gehört habe, die etwas von einer Fußnote auf Seite 97rief – aber ich habe mich taub gestellt.»
    «Gott sei Dank», sagte Miss de Vine lachend. «Dann ist aus diesem gelehrten Werk ja wohl endlich etwas geworden.»

23. Kapitel
    Die letzte Zuflucht und sicherste Heilung, anzuwenden im alleräußersten Falle, wenn kein anderes Mittel mehr wirkt, ist, sie zusammenkommen und sich miteinander freuen zu lassen; potissima cura est ut heros amasia sua potiatur, sagt Gujanerius … Aesculapius selbst kann für diese Krankheit kein besseres Heilmittel ersinnen, quam ut amanti cedat amatum – als daß dem Liebenden sein Wille werde.
    ROBERT BURTON
     
    Von Peter war am Morgen keine Nachricht da. Die Rektorin gab eine kurze, diskrete Mitteilung an das gesamte College heraus, daß die Missetäterin gefaßt und den Umtrieben ein Ende gemacht worden sei. Das Kollegium hatte sich von seinem Schock ein wenig erholt und ging ruhig seiner Arbeit nach. Sie waren alle wieder normal. Sie waren nie etwas anderes gewesen. Jetzt, da der Zerrspiegel des Mißtrauens entfernt war, erschienen sie wieder als freundliche, intelligente Mitmenschen – die vielleicht auch nicht viel weiter über ihren jeweiligen Interessenkreis hinausblickten als ein gewöhnlicher Mann über seinen Beruf oder eine gewöhnliche Frau über ihren Haushalt – aber sie waren einfach wieder genießbar und bekömmlich wie das tägliche Brot.
    Harriet, die Miss Lydgates Fahnen endlich von der Seele hatte, sich aber nicht überwinden konnte, sich mit Wilfrid auseinanderzusetzen, nahm ihre Lefanu-Notizen und begab sich damit in die Radcliffe Camera, um ein paar Stunden ernsthaft zu arbeiten.
    Kurz vor Mittag legte sich eine Hand auf ihre Schulter.
    «Man sagte mir, Sie seien hier», sagte Peter. «Haben Sie einen Moment Zeit? Wir könnten aufs Dach gehen.»
    Harriet legte die Feder hin und folgte ihm quer durch den kreisförmigen Saal mit seinen von schweigsamen Lesern besetzten Tischen.
    «Ich höre», sagte er, als er die zur Wendeltreppe führende Schwingtür aufstieß, «daß dem Problem jetzt medizinisch zu Leibe gerückt werden soll.»
    «O ja. Wenn der akademische Verstand eine Hypothese einmal begriffen hat – was eine Weile dauern kann –, geht er mit großer Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit zu Werke. Da wird nichts übersehen.»
    Sie stiegen schweigend die Treppe hinauf und kamen endlich durch das Türmchen auf die Galerie der Camera. Der gestrige Regen hatte aufgehört, und die Sonne schien auf eine strahlende Stadt. Als sie vorsichtig über den leistenbeschlagenen Rundgang zur Südostseite gingen, trafen sie dort zu ihrer Überraschung Miss Cattermole und Mr. Pomfret an, die nebeneinander auf einer der vorspringenden Stützmauern

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