Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
hierherbringen?»
    «Lieber nicht», sagte Wimsey leise.
    «Aber ganz gewiß», erwiderte die Rektorin scharf. «Sie haben hier öffentlich Vorwürfe gegen diese unglückliche Frau erhoben, und es ist nur recht und billig, ihr Gelegenheit zu geben, darauf etwas zu erwidern. Bringen Sie sie sofort hierher, Padgett.»
    Peters Hände vollführten eine letzte beredte Geste der Resignation, als Padgett hinausging.
    «Ich halte es für sehr notwendig», sagte die Quästorin, «daß diese Sache sofort und vollständig aufgeklärt wird.»
    «Halten Sie es wirklich für klug, Dr. Baring?» fragte die Dekanin.
    «Niemand soll in diesem College beschuldigt werden», erklärte die Rektorin, «ohne Gehör zu bekommen. Ihre Argumente, Lord Peter, erscheinen sehr überzeugend; aber die Indizien könnten auch anders interpretiert werden. Annie Wilson ist zweifelsohne Charlotte Ann Robinson; aber daraus folgt nicht gleich, daß sie die Urheberin dieser Unruhen ist. Ich gebe zu, daß der Schein gegen sie spricht, aber das könnte auf Irreführungen und Zufällen beruhen. Der Schlüssel könnte zum Beispiel in den letzten drei Tagen jederzeit in den Kohlenkeller gebracht worden sein.»
    «Ich war bei Jukes», begann Peter, als ihn Annies Eintreten unterbrach. Adrett und untertänig wie immer näherte sie sich der Rektorin.
    «Padgett sagt, Sie wollten mich sprechen, Madam.» Dann fiel ihr Blick auf die Zeitung, die ausgebreitet auf dem Tisch lag, und sie zog mit einem scharfen, zischenden Laut die Luft ein, während ihr Blick im Zimmer umherging wie der eines gehetzten Tieres.
    «Mrs. Robinson», sagte Peter rasch und ruhig. «Wir können voll und ganz verstehen, wie Sie dazu kamen, den Menschen zu grollen – vielleicht berechtigterweise zu grollen –, die für den betrüblichen Tod Ihres Gatten verantwortlich sind. Aber wie konnten Sie es nur fertigbringen, sich von Ihren Kindern bei der Anfertigung dieser entsetzlichen Briefe helfen zu lassen? War Ihnen nicht klar, daß sie womöglich als Zeugen vor Gericht hätten erscheinen müssen, wenn etwas passiert wäre?»
    «O nein!» sagte sie schnell. «Sie wußten nichts davon. Sie haben mir nur geholfen, die Buchstaben auszuschneiden. Meinen Sie, ich würde sie leiden lassen? … Mein Gott! Das können Sie nicht tun … Ich sage, das können Sie nicht tun … Sie Bestien, eher bringe ich mich um.»
    «Annie», sagte Dr. Baring, «sollen wir das so verstehen, daß Sie zugeben, die Urheberin aller dieser Abscheulichkeiten zu sein? Ich habe nach Ihnen geschickt, damit Sie sich von bestimmten Verdächtigungen reinwaschen können, die –»
    «Ich mich reinwaschen! Ich pfeife darauf, mich reinzuwaschen. Ihr selbstgefälligen Heuchler alle miteinander – ich möchte sehen, wie Sie mich vor Gericht bringen! Ins Gesicht würde ich Ihnen lachen. Wie würden Sie denn aussehen, wenn Sie dasitzen, während ich dem Richter erzähle, wie diese Frau dort meinen Mann umgebracht hat?»
    «Ich bin aufs tiefste bestürzt», sagte Miss de Vine, «von dem allem jetzt zu hören. Bis heute wußte ich nichts davon. Aber ich hatte in der Sache keine andere Wahl. Ich konnte die Folgen nicht vorhersehen – und selbst wenn –»
    «Wäre es Ihnen egal gewesen. Sie haben ihn umgebracht, und es war Ihnen egal. Ich sage, Sie haben ihn ermordet. Was hat er Ihnen getan? Was hat er einer von Ihnen getan? Er wollte nur leben und glücklich sein. Sie haben ihn ruiniert und meine Kinder und mich in Hunger und Elend gestürzt. Was machte es Ihnen schon aus? Sie hatten keine Kinder. Sie hatten keinen Mann, um den Sie sich sorgten. Über Sie weiß ich alles. Sie hatten einmal einen Mann und haben ihn sitzenlassen, weil es Ihnen zu mühsam war, sich um ihn zu kümmern. Aber konnten Sie meinen Mann nicht in Ruhe lassen? Er hat nur eine Lüge erzählt über einen, der schon Hunderte von Jahren tot und vermodert ist. Keinem Menschen hat das was geschadet. War Ihnen ein schmutziger Fetzen Papier wichtiger als unser aller Leben und Glück? Sie haben ihn zerbrochen und getötet – und alles für nichts. Halten Sie das für die Aufgabe einer Frau?»
    «Höchst bedauerlicherweise», sagte Miss de Vine, «war es meine Aufgabe.»
    «Was hatten Sie sich so eine Aufgabe auszusuchen? Eine Frau hat die Aufgabe, sich um ihren Mann und ihre Kinder zu kümmern. Ich wollte, ich hätte Sie umgebracht. Ich wollte, ich könnte Sie alle miteinander umbringen. Ich möchte dieses ganze Gemäuer niederbrennen können und alle diese Häuser, in

Weitere Kostenlose Bücher