Aufruhr in Oxford
nicht mehr sehen, und das ist auch kein Wunder. Aber es wäre trotzdem nett, wenn Sie mich mal besuchen kämen und auch Rogers kennenlernten. Er ist die Reue in Person. Kommen Sie zum Tee. Oder zu irgend etwas. Heute nachmittag. Ja? Nur um zu zeigen, daß Sie nicht mehr böse sind.»
Harriet machte schon den Mund auf, um nein zu sagen, als sie Mr. Pomfrets Gesicht sah und weich wurde. Er hatte einen Blick wie ein sehr junger Hund von einer sehr großen Rasse – liebenswert und urkomisch.
«Na schön», sagte Harriet. «Ich komme. Danke.»
Mr. Pomfret überschlug sich vor Begeisterung und ließ sich, immer noch schwadronierend, willig zum Tor führen, wo er, als er gerade auf die Straße hinaustreten wollte, noch einmal zurückspringen mußte, um einer hochgewachsenen, dunkelhaarigen Studentin, die ein Fahrrad schob, den Eingang frei zu machen.
«Hallo, Reggie!» rief die junge Dame. «Suchst du mich?»
«Oh, guten Morgen», sagte Mr. Pomfret ein wenig entgeistert. Doch dann erblickte er über die Schulter der Studentin hinweg einen hübschen Löwenkopf und fügte schon etwas selbstsicherer hinzu: «Hallo, Farringdon.»
«Morgen, Pomfret», antwortete Mr. Farringdon. Das Adjektiv «byronisch» paßte ganz gut zu ihm, fand Harriet. Er hatte ein arrogantes Profil, einen kastanienbraunen Lockenkopf, feurige braune Augen und einen launischen Mund und schien über Mr. Pomfrets Anblick weniger erfreut zu sein als Mr. Pomfret über den seinen.
Mr. Pomfret stellte ihn Harriet als Mr. Farringdon vom New College vor und fügte brummelnd hinzu, Miss Flaxman sei ihr ja wohl schon bekannt. Miss Flaxman musterte Harriet mit kühlem Blick und versicherte, wie gut ihr neulich der Vortrag über Kriminalliteratur gefallen habe.
«Wir geben um sechs Uhr eine Party», fuhr Miss Flaxman, an Mr. Promfret gewandt, fort. Sie zog sich ihren Talar aus und stopfte ihn recht unfeierlich in den Gepäckkorb ihres Fahrrads.
«Hättest du Lust zu kommen? Bei Leo im Zimmer. Sechs Uhr. Wir haben doch sicher noch Platz für Reggie, Leo?»
«Ich denke schon», antwortete Mr. Farringdon ziemlich ungnädig. «Wir werden uns sowieso zusammenquetschen müssen wie die Ölsardinen.»
«Dann kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht an», erklärte Miss Flaxman. «Hör nicht auf Leo, Reggie; er hat heute morgen seine Manieren irgendwo verlegt.»
Mr. Pomfret schien der Ansicht zu sein, daß hier noch jemand seine guten Manieren verlegt hatte, denn er antwortete entschiedener, als Harriet es ihm zugetraut hätte:
«Bedaure, aber ich bin leider nicht mehr frei. Miss Vane kommt zu mir zum Tee.»
«Das können wir ja ein andermal nachholen», sagte Harriet.
«O nein!» erklärte Mr. Pomfret.
«Könnten Sie denn nicht beide hinterher nachkommen?» fragte Mr. Farringdon. «Auf einen mehr oder weniger kommt’s ja nicht an, wie Catherine sagt.» Er wandte sich an Harriet. «Ich hoffe, Sie kommen, Miss Vane. Wir würden uns sehr freuen.»
«Hm –» machte Harriet. Jetzt war es an Miss Flaxman, ein verdrießliches Gesicht zu machen.
«Sagen Sie mal», fuhr Mr. Farringdon in einem Ton fort, als ob ihm plötzlich ein Licht aufgegangen wäre, «sind Sie die Miss Vane? Die Schriftstellerin? … Aber ja ! Hören Sie, dann müssen Sie einfach kommen. Ich werde der meistbeneidete Mann am ganzen College sein. Wir sind dort lauter Krimi-Fans.»
«Wie wär’s?» fragte Harriet, an Mr. Pomfret gewandt.
Es war so überdeutlich klar, daß Miss Flaxman Harriet nicht wollte, daß Mr. Farringdon Mr. Pomfret nicht wollte und daß Mr. Pomfret nicht hingehen wollte. Harriet konnte sich das boshafte Vergnügen der Schriftstellerin an der komischen Situation nicht verkneifen. Da sich jetzt aber keiner der Beteiligten mehr aus der Schlinge ziehen konnte, ohne offen ungezogen zu sein, wurde die Einladung schließlich angenommen. Mr. Pomfret ging auf die Straße hinaus und schloß sich Mr. Farringdon an; Miss Flaxman konnte kaum umhin, Harriet über den Hof zurückzubegleiten.
«Ich wußte nicht, daß Sie Reggie Pomfret kennen», sagte Miss Flaxman.
«Doch, wir sind uns schon begegnet», sagte Harriet. «Warum haben Sie Miss Cattermole gestern abend nicht mit nach Hause gebracht? Besonders wo Sie doch gesehen haben müssen, daß es ihr nicht gutging.»
Miss Flaxman machte ein erschrockenes Gesicht.
«Das ging doch mich nichts an», sagte sie. «Hat es etwa Krach gegeben?»
«Nein; aber haben Sie etwas getan, um einen Krach zu verhindern?
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