Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
da jemand vor meinem Fenster hin und her gegangen ist. Flüsternd.»
    «Ja – Emily war nämlich rausgekommen und hatte mich erwischt. Ich glaube, Sie hielt mich für den Poltergeist. Na ja – und dann bin ich zufällig auch in die Kapelle gegangen.»
    Sie erzählte die Geschichte, ohne aber von Mr. Pomfret eine Silbe zu erwähnen, und sagte nur, die Missetäterin sei offenbar durch die Sakristeitür entkommen.
    «Und», schloß sie, «der Talar und das Barett gehören tatsächlich Ihnen, Miss Pyke, und Sie können sie jederzeit wiederhaben. Das Brotmesser stammte wahrscheinlich aus dem Speisesaal oder von hier. Und das Kissen – woher das kommt, habe ich keine Ahnung.»
    «Ich glaube, das kann ich mir denken», sagte die Quästorin.
    «Miss Trotman ist nicht da. Sie wohnt im Erdgeschoß vom Burleigh. Es wäre ein leichtes, da hineinzuschleichen und das Kissen zu klauen.»
    «Warum ist Trotman nicht da?» fragte Miss Shaw. «Sie hat zu mir keinen Ton gesagt.»
    «Vater erkrankt», erklärte die Dekanin. «Sie ist gestern nachmittag Hals über Kopf abgereist.»
    «Ich verstehe nicht, wieso sie mir nichts davon gesagt hat», meinte Miss Shaw. «Meine Studentinnen kommen doch immer mit ihren Sorgen zu mir. Es ist schon etwas befremdlich, wenn man immer geglaubt hat, daß die Schülerinnen die Anteilnahme schätzen, die man ihnen entgegenbringt –»
    «Aber Sie waren irgendwo zum Tee eingeladen», wandte die Schatzmeisterin nüchtern ein.
    «Und ich habe Ihnen eine Nachricht in Ihr Fach gelegt», sagte die Dekanin.
    «Oh», machte Miss Shaw. «Die habe ich nicht zu Gesicht bekommen. Ich wußte nichts davon. Ich finde es schon eigenartig, daß mir niemand etwas davon gesagt hat.»
    «Wer wußte denn überhaupt davon?» fragte Harriet.
    In der eintretenden Stille hatten alle Zeit, es sonderbar und unwahrscheinlich zu finden, daß Miss Shaw die Nachricht nicht gefunden und von Miss Trotmans Abreise auch sonst nichts gehört haben sollte.
    «Gestern abend wurde beim Essen darüber gesprochen, glaube ich», sagte Miss Allison.
    «Ich war zum Essen weg», sagte Miss Shaw. «Ich gehe gleich mal nachsehen, ob dieser Zettel noch da ist.»
    Harriet folgte ihr nach draußen; der Zettel war da – ein zusammengefaltetes Blatt Papier ohne Umschlag.
    «Also», sagte Miss Shaw, « den habe ich nicht gesehen.»
    «Irgend jemand könnte ihn gelesen und wieder hineingesteckt haben», meinte Harriet.
    «Ja – auch ich selbst, meinen Sie?»
    «Das habe ich nicht gesagt, Miss Shaw. Irgendwer.»
    Sie gingen mit finsteren Mienen wieder in den Gemeinschaftsraum zurück.
    «Der – äh – Streich wurde irgendwann zwischen dem Abendessen, als Miss Pykes Talar abhanden kam, und gegen Viertel vor eins begangen, als ich ihn entdeckte», sagte Harriet. «Es wäre ganz günstig, wenn jemand für diese Zeit ein lückenloses Alibi vorweisen könnte. Vor allem für die Zeit nach 23.15 Uhr. Ich werde wohl feststellen können, ob eine von den Studentinnen bis Mitternacht Ausgang hatte. Jede, die um diese Zeit nach Hause gekommen wäre, könnte etwas gesehen haben.»
    «Ich habe eine Liste», sagte die Dekanin. «Und der Pförtner kann Ihnen die Namen derer nennen, die nach neun Uhr gekommen sind.»
    «Das wird mir weiterhelfen.»
    «In der Zwischenzeit», sagte Miss Pyke, indem sie ihren Teller wegschob und ihre Serviette zusammenlegte, «müssen die Tagespflichten erledigt werden. Könnte ich meinen Talar haben – oder einen Talar?»
    Sie und Harriet gingen zusammen zum Tudor-Bau, und Harriet gab ihr den Talar zurück und zeigte ihr das Kleid.
    «Dieses Kleid habe ich meines Wissens nie gesehen», sagte Miss Pyke, «aber ich kann nicht sagen, daß ich auf so etwas besonders achte. Scheint für eine schlanke Person mittlerer Größe gemacht zu sein.»
    «Es gibt keinen Grund, anzunehmen, daß es derjenigen gehört, die es dorthin getan hat», sagte Harriet, «sowenig wie bei Ihrem Talar.»
    «Natürlich nicht», sagte Miss Pyke. «Nein.» Sie warf Harriet einen sonderbaren, kurzen Blick aus ihren stechenden schwarzen Augen zu. «Aber die Besitzerin könnte uns einen Hinweis auf die Diebin geben. Wäre es nicht möglich – entschuldigen Sie, wenn ich mich auf Ihr Fachgebiet begebe –, aber wäre es nicht möglich, daß uns der Name des Geschäfts, wo es gekauft wurde, einen Anhaltspunkt gibt?»
    «Allem Anschein nach wäre das wohl möglich gewesen», antwortete Harriet, «denn das Etikett wurde herausgetrennt.»
    «Oho», machte Miss Pyke. «Nun,

Weitere Kostenlose Bücher