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Aufstand der Gerechten

Aufstand der Gerechten

Titel: Aufstand der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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und atmete gierig durch die geschürzten Lippen ein. Das bereute ich
sofort. Meine Lunge krampfte sich zusammen, und ich musste den alten Mann
loslassen.
    Sofort versuchte er erneut, tiefer in die Scheune hineinzugehen. Ich
schlang ihm die Arme um die Taille, zerrte ihn zur Tür und hinaus in die Kälte
der Nacht.
    Seine Frau stand noch immer vor der Scheune, ihr weißes Nachthemd
leuchtete im Schein der Flammen. Dann verschob sich mein Blickfeld, und der
Boden unter uns schien sich zu neigen. Ich stürzte und riss den alten Mann mit.
Ein krampfartiger Husten überkam mich, bis ich mich übergeben musste. Die alte
Frau klopfte mir auf den Rücken.
    Ich wollte ihr zuschreien, sie solle aufhören, doch mein Mund wollte
mir nicht recht gehorchen. Es gelang mir, mich aufzusetzen. Nun hörte ich ein
schrilles klagendes Geräusch und sah in der Ferne ein flackerndes blaues Licht
zwischen den Bäumen hindurchjagen. Dann hörte ich Sirenen heulen.
    »Der Junge ist immer noch da drin!«, schrie die alte Frau und zerrte
an meinem Arm, damit ich aufstand.
    Ich rappelte mich hoch und riss mir das Hemd vom Leib. Ich tauchte
es in eine Pfütze, wickelte es mir um den Kopf und ging zurück zur Scheune. Das
gesamte Gebäude quietschte und stöhnte wie ein urtümliches Tier im Todeskampf,
als ich erneut durch die Tür hineinging.
    Das Feuer hatte sich unterdessen auf das gesamte Gebäude
ausgebreitet, das Tosen der Flammen war furchterregend, lauter als das Knarren
des Holzes und das Kreischen des Metalls. Doch durch das Loch im Dach, das die
einstürzenden Balken hinterlassen hatten, entwich der Qualm, und ich konnte ein
wenig besser sehen. Die Hitze fühlte sich nun allerdings beinahe wie etwas Körperhaftes
an, und ich musste meine gesamte Kraft aufbieten, um weiterzugehen.
    Ich schaffte es bis in die Mitte der Scheune, wobei ich die Dachbalken
über meinem Kopf im Auge behielt, dann sah ich den »Jungen«. Soweit ich
erkennen konnte, war es in Wirklichkeit wahrscheinlich ein junger Mann: Der
Oberkörper wurde von der Trennwand der letzten Box verdeckt, doch die stark
versengten jeansbekleideten Beine und Arbeitsstiefel ragten heraus.
    Ich meinte zu sehen, wie eines der Beine sich bewegte, aber womöglich
war das bloß eine optische Täuschung, verursacht durch die starke Hitze.
    Ich rief nach ihm und wartete auf eine Reaktion, doch meine Worte
schienen sich in dem Augenblick, in dem ich sie aussprach, förmlich zu
entzünden. Falls er mich gehört hatte, reagierte er nicht darauf.
    Ich versuchte, mich durch die Hitzewand vor mir zu kämpfen, da hörte
ich einen Knall – wie ein Schuss in meinem Schädel. Jetzt bemerkte ich auch die
Hitze hinter mir. Irgendetwas stieß mir in den Rücken, und ich spürte, wie der
Boden unter mir plötzlich seitlich absackte.
    Ich schnappte nach Luft, versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und
bekam immer mehr Rauch in die Luftröhre. Ich dachte an Debbie und unsere
Kinder, an Shanes weichen Körper, wenn er sich im Bett neben Debbie bewegte.
    Dann kam mir der Betonboden entgegen, und mein Blick löste sich in
Schwärze auf.

2
     
    Mein Gesicht war gegen etwas Kaltes und Nasses gepresst.
Ich versuchte, die Augen zu öffnen, konnte aber nichts sehen. Ich hatte das
Gefühl, hinten in meinem Schädel würde sich ein Druck aufbauen. Ich versuchte
zu atmen, aber auch daran hinderte mich etwas. Dann stemmte ich mich ein Stück
hoch und stellte fest, dass ich mit dem Gesicht nach unten im Freien auf der
nassen Erde lag.
    »Sind Sie okay?«, fragte jemand.
    Ich drehte mich um, so gut ich konnte, und sah über mir das bleiche,
rußverschmierte Gesicht eines Feuerwehrmannes in der Dunkelheit aufragen; das
Gesicht schien mitten in der Luft zu schweben, die Atemmaske hing ihm lose um
den Hals.
    »Da drin ist noch jemand«, sagte ich und versuchte vergeblich
aufzustehen. Mein Rücken fühlte sich an, als stünde er in Flammen. Ich
ertastete die verkohlten Ränder meines Unterhemds, dann allzu empfindliche Haut
und eine wunde Stelle am linken Schulterblatt. Ich fluchte.
    »Nicht berühren«, sagte der Feuerwehrmann.
    »Da ist noch jemand …«, versuchte ich es erneut.
    Er nickte. »Es ist zu spät. Wir können jetzt nichts mehr tun.«
    Ich stemmte mich auf die Knie hoch und sah mich um. Im Mund
schmeckte ich Erde. An der Einfahrt zum Grundstück standen zwei Löschfahrzeuge
neben einem Krankenwagen, dessen blaues Licht die Schatten der Bäume zu unserer
Linken zucken ließ. Eine Gruppe Männer kämpfte mit

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