Aufstand der Gerechten
einem Schlauch, der Wasser
durch das Loch im Scheunendach spie.
In der Nähe der Straße entdeckte ich die alte Frau. Ihr Mann lag am
Boden auf dem Rücken, neben ihm kniete ein Sanitäter und drückte ihm eine
Sauerstoffmaske auf den Mund.
»Geht es ihm gut?«, fragte ich.
Der Feuerwehrmann nickte grimmig. »Hoffentlich.« Er sah zu mir
hinab. »Offenbar haben Sie ihn gerettet.«
Ich nickte. »Aber den anderen habe ich nicht erreichen können.«
Mitfühlend zuckte der Mann die Achseln. »Sie haben Ihr Bestes
gegeben, Kumpel.«
Ich sah ihn an: Ein einzelner Schweißtropfen lief ihm über die Wange
und hinterließ eine gezackte Linie im Ruß.
Die Fahrt ins Krankenhaus war qualvoll. Während der
Krankenwagen über die Landstraßen nach Letterkenny holperte, schmerzte die
Wunde an meinem Rücken mit jeder Erschütterung stärker. Ich lag auf der Seite,
um keinen Druck auf die brennende Stelle auszuüben, aber das half kaum. Ich
drehte den Kopf, um mir die Wunde anzusehen, doch es gelang mir nicht. Der
Sanitäter legte mir eine behandschuhte Hand auf die Schulter.
»Ist es schlimm?«, fragte ich ihn.
Er lächelte matt. »Fühlt es sich schlimm an?«
»Himmel«, jaulte ich, als der Krankenwagen scharf in die Kurve ging
und mein Rücken an die kalte Seitenstange der Trage stieß.
»Das heißt dann wohl ja«, bemerkte er. »Es wird ein, zwei Tage
wehtun. Aber Sie werden es wohl überleben.«
»Das ist ja beruhigend.«
»Gehört alles zum Service. Das ist eben der Preis dafür, ein Held zu
sein.«
Darauf erwiderte ich nichts. Ich fühlte mich nicht wie ein Held.
Erneut dachte ich an den Mann in der Scheune, dessen Beine hinter der Trennwand
hervorgeschaut hatten. Immer wieder sah ich dieses Bild vor mir und versuchte
zu entscheiden, ob seine Beine gezuckt hatten oder ich mir das nur eingebildet
hatte. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich, indem ich den
alten Mann aus der Scheune geholt, zugleich zugelassen hatte, dass der junge
Mann starb. Rational war mir klar, dass ich das Richtige getan hatte – aber so
fühlte es sich nicht an.
Ich muss zeitweise das Bewusstsein verloren haben, denn
das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich in einem Krankenhausbett
lag. Allerdings spürte ich die Schmerzen im Rücken nicht mehr, stattdessen
erfüllte mich eine sonderbare Hochstimmung. Ich packte die Seitenstangen des
Bettes und versuchte, mich aufzusetzen.
Eine Frauenstimme, so leicht wie die Berührung der Hand auf meinem
Arm, hielt mich auf.
»Das ist Morphium«, sagte sie. »Sie fühlen sich besser, als es Ihnen
geht. Bleiben Sie im Bett.«
Nun erschien ihr Gesicht am Rand meines Blickfelds: dünnes,
blassblondes Haar, das zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden war, und große
braune Augen.
»Ruhen Sie sich aus«, sagte sie.
Als ich das nächste Mal erwachte, war die Wirkung des
Morphiums abgeklungen, und mein Rücken schmerzte höllisch unter der Kompresse
mit der kühlenden Salbe, die man mir angelegt hatte.
Nun stand Debbie am Fußende des Bettes, und neben ihr mein Superintendent
Harry Patterson. Beide betrachteten mich mit leidgeprüfter Miene, als wäre ich
ein aufsässiges Kind, das wieder einmal seine Widerspenstigkeit unter Beweis
gestellt hatte.
Debbie setzte sich aufs Bett und nahm meine Hand. Patterson stellte
sich linkisch neben sie.
»Da sind Sie ja wieder«, sagte er.
Ich nickte unnötigerweise. »Wie geht’s den Kindern?«, fragte ich
Debbie.
Sie warf mir einen irritierten Blick zu. »Gut. Wir haben uns
gefragt, wo du bleibst. Du hast nichts davon gesagt, dass du wegwolltest.«
Ich wollte antworten, aber meine Lippen fühlten sich aufgerissen und
ausgetrocknet an.
»Er war zu sehr damit beschäftigt, den Helden zu spielen«, versuchte
Patterson zu scherzen und scheiterte kläglich.
»Tut mir leid«, brachte ich hervor.
Debbie drückte leicht meine Hand. Ihre Augen glänzten feucht, doch
sie sagte nichts.
»Wie geht’s dem alten Mann?«
Patterson hustete leise hinter vorgehaltener Hand. »Nicht so gut. Er
hat viel Rauch eingeatmet. Er liegt auf der Intensivstation.«
Seine Worte hingen eine Weile im Raum.
»Was ist mit dem Toten?«, fragte ich schließlich.
Patterson schüttelte den Kopf. »Wir müssen abwarten, bis die
Feuerwehr abgezogen ist. Wir dürfen noch nicht rein. Die lassen uns nicht mal
in die Nähe des Wohnhauses, bis sie das Feuer in der Scheune gelöscht haben.«
»Irgendwelche Namen?«
»Möglich. Das Haus gehört einem Martin Kielty.
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