Aufstand der Maenner
Eigentum, doch sie besitze sie nicht.
Garp dachte an Draup, der als Herr der Herde reiterlos über die weiten Wiesengründe dahinsprengte. Er empfand Sehnsucht nach Draup, dem Gemahl der Göttin, seinem Freund. Es erfüllte ihn mit Stolz, daß der Hengst sich von keinem anderen reiten ließ als nur von ihm. Wer aber Draup habe, sei der Herr der Herde, und so sei er, Garp, es selbst, der die Pferde besitze, und niemand sonst, nicht einmal Belit.
Und nicht nur die Pferde, auch die Reiter seien von diesem Wissen durchdrungen. Wem wohl sollten sie gehorchen, wenn nicht ihm, der sie lehrte und dessen Macht über die heiligen Tiere sie mit scheuer Bewunderung erfülle? Wenn er, allen sichtbar, auf Draup sitze, würde kein Schenkeldruck und nichts die übrigen Pferde in eine andere Richtung zwingen als die, die er ihnen wies.
Wenn aber kein Zweifel bestehe, daß er Herr der Berittenen sei, so liege bei ihm die Entscheidung . . .
Als Garp sich dessen bewußt wurde, war er von Stolz und Übermut weit entfernt. Als schwere Bürde lag diese Erkenntnis auf ihm. Zerrissen fühlte er sich, denn Belit habe ihm ihre Seele übertragen, und so sei er sie und er selbst in einem. Belit und er selbst . . .
Und er selbst! durchdrang es ihn. Die fremde Seele habe ihn nicht verwandelt, auch sei er nicht nur ihr Gefäß. Noch lebe Belit. Nach ihrem Sterben aber werde ihre Seele in ihm zu einer männlichen werden. Sie habe es selbst gesagt. »Zu ihrer tiefsten Erniedrigung«, habe sie gesagt. Also wisse sie darum, wie er jetzt darum wisse. Nichts könne ihm die Entscheidung abnehmen, auch Belit nicht. Klar sein müsse er und durch nichts zu beirren.
Zuerst der Weg der Belit - wohin würde er führen? Das Volk würde sich gegen die Grausamkeit Rheas und deren Damen erheben, würde gegen den heiligen Palast anstürmen, er selbst aber hätte im letzten Augenblick auf Belits Wink hin die Verelendeten in die Flucht zu reiten, worauf die schwerbewaffneten Söldner, die Negergarde voran, das große Schlachten anheben würden. Und dann? Wer sollte die Söldner ernähren, wenn das arbeitende Volk auseinandergetrieben oder getötet sei? Die Wölfe warten bereits - wie Jokbed bewies - vor den Toren, und so führte Belits Weg auch nur zum Untergang der nicht mehr verteidigten Damenherrschaft . . . nur daß auf diese Weise das Volk mit in den völligen Untergang hineingezogen würde. Sei das Volk nicht mehr wert, als die Totenfeier einer überständigen Herrschaft mit dem eigenen Tod zu verherrlichen? Dasselbe würde geschehen, wenn er, Garp, sich auf Tuks Seite stelle. Dem Volk zum Siege zu verhelfen sei nicht schwer, wenn er es ernstlich wolle. Sei aber das Volk damit gerettet? Belit erkenne vollkommen klar, daß es ohne Führung nur alles zerstören würde, auch die Mittel seiner eigenen Erhaltung.
Rhea habe ihre Damen mit Blindheit geschlagen und deren Herrschaft sei in Wahrheit schon zu Ende - davon war Garp überzeugt. Weltuntergang befürchte Belit, und sie erhoffe ihn, falls die Frauenherrschaft nicht mehr zu retten sei. Doch nicht Untergang, sondern Weltwende bereite sich vor. Und wenn sich die Damen überhaupt noch behaupten, geschehe
es nur, weil das Volk nicht fähig sei, von einem Tag auf den andern aus sich selbst heraus die neue Herrschaft zu errichten. Auf die Frage, wie das Volk zu befreien sei, ohne es vollends zu verderben, wisse auch Tuk keine Antwort. Tuk kenne nur seinen Haß. Im Blut der Damen wolle er ihn kühlen und gedenke nicht der Leere, die dann bliebe. Entschlossene Männer des Volkes, dachte Garp, müßten sich vorher zusammenfinden, um am Tage des Sieges die Führung zu übernehmen alle einig, sie auszuüben oder sie zu unterstützen. Aber er selbst wisse ebensowenig wie Tuk, auf welche Weise an das hungernde Volk heranzukommen und wie es zu schmieden sei.
Entscheidung . . .
Was könne er entscheiden, wenn die letzte Antwort auf alle Fragen immer nur Gewalt und Vernichtung sei?
Heftig stieß er beim Aufspringen an das Becken. Lin Stück glühender Kohle fiel auf den Estrich. Im Grimm über seine Ohnmacht nahm er es, ehe er es zurückwarf, schmerzlüstern in die Hand, um dann das brennende Fleisch tief in den Krug des heilenden und heiligen Öles zu versenken.
Ein glatter Gegenstand geriet ihm dabei zwischen die Finger.
Eine Antwort? Sei es eine Antwort der Unbekannten, denen er sich geweiht, einer unbekannten Gottheit? . . . Rheas Antwort könne es nicht sein . . .
Egels Ring hielt Garp in der verbrannten
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