Aufstand der Maenner
stilistische noch inhaltliche Brüche im Ergebnis dieser »Konkurrenz« festzustellen. Mit seiner Meisterung des Dialogs knüpft Tralow übrigens an eine alte, im Prinzip auf die Antike zurückgehende Tradition an, die gesetzmäßig neben dem Drama auch alle anderen Literaturgattungen erfassen mußte, sobald es darauf ankam, Anschaulichkeit und Lebendigkeit besonders in den Vordergrund zu stellen (Aristoteles).”
Tralow führt diese Tradition sehr konsequent und zielbewußt weiter. Durch die Dialoge werden häufig Sachverhalte erörtert und die Personen durch ihre Stellungnahme zu den Sachverhalten analysiert. Nicht selten kommt es dabei zu einer Kraftprobe, zu einer Art geistigen Ringkampfes (Jokbed-Belit), bei dem der Dialog die Stelle einer physischen Auseinandersetzung übernimmt. Aber neben der Personenanalyse geht es dabei vor allem um die Ermittlung der objektiven Wahrheit. These und Antithese führen zur Synthese, zu einer bisher verborgen gebliebenen, höheren Position. Mithin kann gerade der Dialog Spitzenleistungen des geistigen Ringens, der Reflexion und Argumentation im Dienste der Weiter- und Höherentwicklung widerspiegeln. Von hier aus gesehen offenbart sich Tralow auch als Dichter, der großen Wert auf die uns heute unentbehrliche Prognose legt. Mit Hilfe der seinen Gestalten in den Mund gelegten »Prophetien« formt er den Plan des Gesamtwerkes und läßt er die Entwicklung von der Periode des Matriarchates zur Epoche des Patriarchates leichter überschauen. Daß erst der dramatische und energiegeladene Schluß des Werkes mit einem »Aufstand der Männer« zu diesem neuen Stadium der Menschheitsgeschichte führt, ist überraschend, aber künstlerisch berechtigt. Die vorbereitende Phase der überhitzten Unterdrückung und der sich dagegen richtenden Verschwörungen bedurfte einer ebenso eindringlichen wie taktvollen Behandlung - wobei sachte Andeutungen oft ein ganzes Bündel von dichterischen Erkenntnissen oder Visionen ersetzen müssen.
Die Darbietung eines so immensen historisch-literarischen Stoffes hat viel Studium und noch mehr Einfühlung erfordert; Einfühlung besonders in die spezifischen Verhältnisse ganz früher, aus der Urgemeinschaft kommender Klassengesellschaften mit ihren vielfältigen Problemen gerade unter dem Gesichtspunkt der Rolle der Geschlechter. Der Kampf zwischen männlichem und weiblichem Prinzip, der sich überwiegend unter dem Deckmantel der Auseinandersetzung entsprechender Götter und Göttinnen vollzog, muß folgerichtig das ganze Werk durchdringen und quasi alle Figuren des Romans in seine Fronten einbeziehen. Der Wechsel der Szenerie und der Situationen zeigt diesen Kampf als ein dramatisches, ja weithin tragisches Geschehen, dem viele Menschen zum Opfer fallen, weil die Entwicklung, die hinter den einzelnen stehende Gesetzmäßigkeit es so erfordert.
Trotzdem kann der Ausklang optimistisch sein, weil »einst die Menschen unsere Welt verwandeln« werden. Mehr der Prophezeiung und der Perspektive bedurfte es nicht. Dem Leser ist genug Spielraum gelassen, das Werk von hier aus in unsere Gegenwart hineinwirken zu lassen.
Prof. Dr. Hans-Joachim Diesner
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