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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Hand, den verlorenen Ring, den mit dem Stab und der Traube.
     

Drittes Buch

22
    Es war still auf der Straße nach Silas. Wie hätte es zur Nachtzeit auch anders sein sollen? Niemand begann seine Reise im Dunkeln, wenn die Dämonen Macht haben über das Irdische, und verspätete Wanderer, die nach Knossos wollten, blieben lieber im nächsten Gehöft und warteten den Tag ab. In dieser Nacht aber war es nicht etwa deswegen so still, weil es an Wanderern fehlte, sondern weil die Frauen und Männer, die unterwegs waren, sich nicht zeigten und jedes Geräusch vermieden. Sogar die Straße mieden sie. Neben dem Weg her huschten sie oder auf schmalen Pfaden querfeldein.
    Nur einer wußte keinen anderen Pfad als den Weg. >Das dritte Gehöft<, wiederholten seine Gedanken, >das dritte vor dem letztens
    Weit auseinander lagen die letzten. Hier war der Grund billiger als näher zur Stadt und zum Markt. Und doch war das drittletzte nicht ärmlich. Es hatte einen festen Zaun, und der schwarze Schatten des Hauses ragte hoch und weit. Eine Vielfalt von Gebäuden war das Haus. Es war - man fühlte es - mit dem Bedarf gewachsen.
    Zeia, dem Töpfer, gehörte es, demselben, von dem das Weib auf dem Markte gesagt hatte, daß er über seine Scheiben die Frauen den Segen nicht sprechen lasse.
    Der eine, der keinen Pfad kannte, schritt von der Straße darauf zu.
    »Der Bock und die Traube«, sagte er, als er angelangt war.
    »Die Traube und der Bock«, war die Antwort.
    Eine Lücke im Zaun öffnete sich und schloß sich sofort hinter ihm.
    »Wer bist du, Fremder, und von wem kommst du?«
    »Genügt es nicht, daß ich das Wort sagte?«
    »Es genügt. Tritt in das Haus.«
    Trotz dieser Einladung war der Fremde klug genug, um
    zu wissen, daß er, falls er einen Kampf vermeiden wolle, ohne eine ausreichende Erläuterung nicht mehr zurück könne. Aber dieser Gedanke berührte ihn eher angenehm. Mißtrauen bewies Vorsicht, und ihm war darum zu tun, Menschen zu treffen, die Gefahren zu begegnen wußten.
    »So führt mich denn«, sagte er.
    Der Raum, in dem der Fremde unter den Anwesenden niederhockte, zeigte unmißverständliche Spuren eines Handwerksbetriebes. Jetzt erhellten ihn einige Wergfackeln nur dürftig. Noch war keine Gefahr. Doch bei anbrechendem Morgen würde er sich zu erklären haben wie jedes fremde Gesicht. Und das sei gut so, fand der Unbekannte zum zweitenmal. Wenn ihm ein Gespräch mit Zeia unter vier Augen auch lieber gewesen wäre - jedenfalls sei er nicht bei Leichtfertigen eingetreten.
    In einen dunklen Mantel war er gehüllt, unter dem er sein Eisenschwert fühlte, und auch die andern Männer saßen bedeckten Leibes da, während die anwesenden Frauen - und es waren Frauen zugegen - den Oberkörper unbekleidet trugen. Offenbar waren es keine Damen, oder wenn sie es waren, so hielten sie sich bei dieser Gelegenheit doch nach der Sitte des Volkes. Auch war die Versammlung nur klein. Brüder und Schwestern nannten sie sich, wie man hören konnte. Nicht in einen eigentlichen Gottesdienst war der Fremde geraten, sondern in eine Unterrichtsversammlung, in der gehobene Gläubige belehrt wurden, um andene lehren zu können. Die Mehrzahl war, wie aus Fragen und Antworten hervorging, aus anderen und selbst fern gelegenen Gegenden von Kreta . . . ein weitverzweigtes Netz, das über die ganze Insel geworfen war, gab sich zu erkennen.
    Der Fremde fragte nicht und wurde nicht gefragt. Er hörte.
    Lehrer war Zeia. Er war eins mit dem Töpfer und trug - etwas Unerhörtes bei einem Kreter - als Zeichen der männlichen Würde seinen Bart. Freilich zwang der ihn, nie das Innere seines Hauses zu verlassen und sich niemals Uneingeweihten zu zeigen. Etwas Unnahbares ging aus von dem bleichen Gesicht des älteren Mannes mit der schmalrückigen Nase und dem vom Bart verhangenen Mund. »Vater« nannten ihn die Gläubigen - er sie seine Söhne und Töchter.
    Aus Fragen und Antworten entnahm der Fremde den Glauben.
    Es gab einen Gott, einen Manngott - sie nannten ihn Bak und auch Dionys. Von Anbeginn war er, und bis zum Ende aller Zeiten würde er sein. Alles, was war, kam von seinem befruchtenden Samen. Die Wüsten hatte er grün gemacht und mit Tieren bevölkert, die Meere mit Fischen, den Menschen aber nach seinem Bilde erschaffen. Der wahre Gott war er, die wahre Güte. Aber seine Geschöpfe hatten sich von ihm und dem Himmel ab- und Rhea zugewandt, der von ihm erst Erweckten, der Erde. Doch kein Schaf ohne Bock, kein Huhn ohne Hahn -

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