Auge um Auge
Provisional IRA aneinander geraten war, war ihm im Verlauf seiner Karriere eine Reihe wichtiger Anschläge gelungen.
Am interessantesten war die Tatsache, dass er in all den Jahren
auch als bezahlter Söldner für viele ausländische Revolutionsbewegungen tätig gewesen war.
Kate überließ die Angelegenheit ihrem Sicherheitschef bei Rashid Investments, zu dem sie großes Vertrauen hatte. Er war ein früherer Fallschirmjäger namens Frank Kelly. Nicht, dass sie sich ganz auf ihn verlassen hätte; so sehr vertraute sie keinem ihrer Angestellten. Sie hoffte inständig, dass sich bald eine Gelegenheit ergab, Dillon rein »zufällig« wiederzutreffen. Schon am folgenden Montagabend war es soweit.
Kelly rief sie in ihrem Haus in der South Audley Street an, das nur fünf Minuten vom Dorchester entfernt war. »Dillon hat soeben die Piano-Bar betreten. Offenbar hat er heute seinen freien Abend. Er trägt einen dunkelblauen Anzug und eine Krawatte in den Farben der Grenadier Guards.«
»Aber er war doch gar nicht bei den Guards.«
»Wahrscheinlich will er jemanden verarschen, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen, Ma’am. Ich war viele Jahre mit den Fallschirmjägern in Nordirland und habe da allerhand über diesen Burschen gehört.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass Sie drüben waren. Haben Sie meinen Bruder George dort kennen gelernt?«
»Ja, Ma’am. Der war allerdings ein paar Ränge über mir. Er war Second Lieutenant und ich bloß Sergeant.«
»Schön. Haben Sie einen Wagen dabei?«
»Einen Benz von der Firma.«
»Holen Sie mich ab. Sie können mit ins Dorchester kommen und auf mich warten. Sie persönlich, Kelly; ich will niemand anders dabei haben.«
»Lady Kate, ich würde es mir nicht einmal im Traum einfallen lassen, jemand anders damit zu beauftragen.«
Wenig später holte Kelly sie ab. Er war gut gekleidet, kaum größer als einen Meter siebzig, hatte ein ehrliches, hartes Gesicht und kurz geschorenes Haar – ein Überbleibsel aus seiner Zeit bei der Armee. Nachdem er sie am Eingang des Dorchester abgesetzt hatte, parkte er den Wagen auf einem der für VIPGäste reservierten Stellplätze.
Kate, die einen flotten schwarzen Hosenanzug gewählt hatte, trat durch die Drehtür. Als sie in die Bar kam, hörte sie Musik, und tatsächlich saß Dillon wieder am Klavier und spielte.
Giuliano tauchte auf. »Lady Kate, welch ein Vergnügen. Ihr gewohnter Tisch?«
»Nein, den da hinten links am Klavier. Ich möchte mich ein wenig mit dem Pianisten unterhalten.«
»Ah, mit Mr. Dillon. Er spielt gut, nicht wahr? Ab und zu setzt er sich ans Klavier, bis unser eigentlicher Pianist kommt. Keine Ahnung, womit er sonst seine Zeit verbringt. Kennen Sie ihn?«
»Mehr oder weniger.«
Er führte sie zum Tisch. Kate nickte Dillon zu, bestellte ein Glas Champagner Marke Krug, setzte sich und nahm ihr Handy heraus, obwohl sie damit gegen die strikten Regeln der Bar verstieß.
Sie rief George an, dessen Wohnung nicht allzu weit entfernt lag.
Als er abhob, sagte sie: »Ich bin in der Piano-Bar im Dorchester. Dillon ist hier, und draußen wartet Frank Kelly. Ruf ihn auf seinem Handy an und sag ihm, er soll dich abholen. Ich brauche dich.«
»In Ordnung«, sagte George. »Bis bald.«
Dillon spielt wirklich gut, dachte Kate. Eine Zigarette im Mundwinkel, spielte er die alten Standards, also genau die Stücke, die sie mochte. Plötzlich schlug er Our Love Is Here to Stay an, ein etwas schiefes Grinsen im Gesicht. Als er sich dem Ende näherte, tauchte der reguläre Pianist auf und Dillon lächelte, glitt vom Klavierhocker und überließ dem anderen den Platz.
Dann kam er zu Kate herüber. »Welch glücklicher Zufall, nicht wahr? Es ist mir ein ebenso vollkommenes wie unerwartetes Vergnügen.«
»Mr. Dillon, Sie sind ein ausgesprochen wortgewandter Mann.«
»Dabei war ich im Gegensatz zu Ihnen nicht in Oxford. Ich musste mich mit der Königlichen Schauspiel-Akademie begnügen.«
»Sie waren früher Schauspieler?«
»Ach, hören Sie doch auf, Kate Rashid, Sie wissen verdammt gut, was ich mal war, und zwar in jeder Einzelheit.«
Sie lächelte, und als Giuliano an den Tisch trat, sagte sie: »Früher hat er am liebsten Krug getrunken, aber soweit ich weiß, bevorzugt er inzwischen Louis Roederer Cristal. Wir nehmen eine Flasche.«
Dillon zog ein silbernes Zigarettenetui aus der Tasche, klappte es auf und nahm eine heraus. »Sie dürfen der Dame
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